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Schiere Größe, unendliche Weite

5656 Kilometer. Fast zwei Dutzend Alpenpässe, darunter das Stilfser Joch (2757 m), der Berninapass (2328 m), der Albulapass (2313 m), der Große (2469 m) und der Kleine St. Bernhard (2188 m), das Sellajoch (2214 m) und der Staller Sattel (2052 m). Flüsse – Rhein und Neckar, Rhone und die Dora Baltea, Etsch, Donau und Moldau. Seen – Genfer See und Gardasee, Idrosee, Silvaplanersee und Misurinasee. Diese Motorradreise haben schiere Größe und unendliche Weite geprägt. Dazu mehr Regen als bei den Touren in den vergangenen Jahren, Hagel in Riva am Garadasee, Motorradkilometer in den Wolken wie etwa am St. Bernardino, extreme Hitze mit bis zu 35 Grad in der Nordschweiz und einstellige Temperaturen in den Dolomiten – auch Wetterextreme spielten eine Rolle.

Das alles bestimmende Gefühl nach der Rückkehr ist Dankbarkeit. Dafür, diese tolle Tour erlebt zu haben. Dafür, dass die Yamaha mal wieder mehr als 5000 Kilometer ohne zu mucken gefahren ist (nur der Anlasser bedarf einer Überprüfung). Dafür, dass alles glatt lief und selbst das blöde Absperrgitter auf der Tour von der Wachau in den Süden Tschechiens keine größeren Probleme hinterließ. Für unglaubliche Aussichten, interessante Einsichten und die Relativierung mancher Probleme.

Auch Respekt hat diese Reise wieder einmal gelehrt. Auf einer der Schautafeln an der Großglockner Hochalpenstraße war von der unendlichen Langsamkeit zu lesen, in der sich die Alpen entwickelt, in die Höhe geschoben und gefaltet haben. Laut Wikipedia wuchsen sie maximal fünf Millimeter im Jahr und es brauchte etwa 100 Millionen Jahre bis zu ihrer heutigen Form. Dem steht die bei Motorradfahrern übliche Art der Alpeneroberung gegenüber – das Ziel, möglichst viele Pässe in wenig Zeit zu bewältigen. Bedenkt man die Entstehungsgeschichte der Alpen, bekommt man dennoch (vielleicht sogar gerade deshalb) eine Vorstellung von unendlichen Langsamkeit und der gigantischen Größe dieses Faltengebirges.

Respekt verdienen aber auch die Menschen, die dort oben in den Bergen leben, Landwirtschaft betreiben, Straßen gebaut haben und nun pflegen, Bahnlinien und (Linien)Busverbindungen aufrecht erhalten, für Wasserkraftwerke und Stromleitungen zuständig sind. Die Bedingungen, unter denen sie leben und arbeiten sind ungleich härter als das, was etwa die Dresdner Tag für Tag bewältigen müssen, auch gefährlicher. Solche Einblicke relativieren die Sicht auf eigene Probleme.

Dies war gewiss der entscheidende Effekt dieses Urlaubs, der wie jedes Jahr verstärkt wurde durch Wind und Wetter bei dieser mitunter recht unbequemen Art des Reisens. Wer aber je Gelegenheit hatte, auf einem Motorrad die Duftorgie zwischen Oliven- und Zitronenbäumen am Gardasee zu erleben oder sich aus einem engen Tal durch unzählige Kurven auf einen 2700 Meter hohen Pass emporzuschrauben wird verstehen, dass ein paar Kilometer im Regen bei solchen Reisen zu verkraften sind.

  • Unbedingt empfehlenswert, weil nach wie vor aktuell, ist der Reiseführer „Motorradtouren in den Alpen“ von Eberhard von Puttkammer (2005, Heel Verlag Königswinter, ISBN 3-89880-414-3). Puttkammer schlägt darin zwei Einstiegsetappen in den Westen und den Osten der Alpen vor. Er selbst ist wohl die Osttour für sein Buch gefahren und hat das Gebirge dann von Osten nach Westen auf 18 weiteren Etappen durchquert. Umgekehrt geht es natürlich auch und wer Puttkammers Reiseberichte vorab liest, findet die darin beschriebenen Sehenswürdigkeiten auch bei der Tour von West nach Ost ohne größrere Schwierigkeiten.
  • Nicht alle bei dieser Motorradreise angesteuerten Übernachtungsquartiere kann man gleichermaßen empfehlen, insbesondere in der Schweiz ist eine Auswahl mit Bedacht schon allein der Kosten wegen nötig. Die Region rings um Zürich ist besonders teuer, man sollte vielleicht vermeiden, bei einer Motorradtour ausgerechnet dort Station zu machen. Grundsätzlich gilt zumindest für kleinere Hotels und Pensionen – je abgelegener sie sind um so preiswerter sind auch die Zimmer. Übernachtungsvolltreffer auf dieser Tour waren folgende Quartiere: Das Piccolo Hotel am Gardasee in Brenzone/I, der Bauernhof Malga Secine am Karerpass in Vigo die Fassa/I, der Iselsbergerhof der Familie Obersteiner in Iselsberg bei Lienz/A, das Hotel Alpenhof in Obervellach/A im Möltal, die Erzherzog-Johann-Hütte am Sölkpass in St. Nikolai/A, das „Donauschlösserl“ der Familie Pichler an der Donau in der Wachau/A und die Pension Amadeus in Český Krumlov/CZ. In all diesen Quartieren gabs die Übernachtung mit Frühstück für 50 Euro (Piccolo Hotel) oder weniger. In der Agritur Malga Secine kostete die Halbpension 46 Euro, besonders günstig waren die Erzherzog-Johann-Hütte (in der man sich u.U. aber die Zimmer mit anderen Gästen teilen muss) und der Iselsbergerhof (zum Teil sehr einfache Zimmer), in denen die Übernachtung jeweils weniger als 30 Euro kostete.
  • Empfehlenswerte Quartiere sind auch das Hotel Süsom Givè auf dem Ofenpass in Tschierv/CH, das Gasthaus Zum Dörfli in Hospental-Zumdorf/CH, die hier „nur“ deshalb nicht verlinkt wurde, weil dort die Übernachung deutlich über 50 Euro kostete (Schweiz-Preise eben!!!).
  • Man sollte sich mit Geld in Landeswährung versorgen. Franken in der Schweiz und Kronen in Tschechien sind sehr hilfreich. Zwar kann man überall auch mit Karte zahlen und zumeist wird in Grenznähe auch der Euro akzeptiert, aber die Kurse sind schlechter als beim Wechseln auf der Bank oder beim Geldabheben in Landeswährung am Automaten.
  • Die Benzinpreise waren bei dieser Reise nur in Tschechien wirklich niedriger als in Deutschland, auch sie lagen in der Schweiz über dem Durchschnitt. Oft findet man in der Schweiz, in Italien und Österreich Tankstellen, bei denen man an einem Automaten via Geldkarte bezahlen kann oder im Voraus den Kraftstoffpreis bar (und ausschließlich mit Papiergeld) begleichen muss. Es ist also gut zu wissen, wieviel Sprit noch in den Tank passt.
  • Die Autobahnvignette für Österreich ist nicht nötig, wer etwas Zeit hat kann stets paralle zu den Autobahnen auf „Bundesstraßen“ fahren, die Schweizer Autobahnvignette kann man sich (nur) bei sehr genauer Tourenplanung ersparen, schließlich ist sie auch auf einigen autobahnähnlichen Straßen nötig. Die Maut für die Großglockner Hochalpenstraße (22 Euro), die Malta Hochalmstraße (9 Euro) und die Nockalmstrasse (8 Euro) sind lohnende Investitionen. Auch das Stilfser Joch soll ab 2013 mautpflichtig sein, 12 Euro werden dort dann voraussichtlich für die Passage mit dem Motorrad verlangt. Die Huckepack-Fahrt mit dem Zug durch die Tauernschleuse war ein ganz hübsches Erlebnis und mit 15 Euro durchaus auch erschwinglich. Fähren wie die Autofähre zwischen Limone und Malcesine auf dem Gardasee (9 Euro fürs Motorrad und eine Person) und die Rollfähre über die Donau zwischen Spitz und Arnsdorf (3,50 Euro) sind bei jeder Tour Zwischenstationen, die Spaß machen und zugleich auch besondere Aussichten bieten.
  • (Kostenloses) Internet in Pensionen, Hotels (auch in Cafes und Restaurants) ist in Tschechien fast schon selbstverständlich, in der Schweiz, Österreich und Italien aber nicht. Dort gibt es auch Quartiere, die noch nicht mal über eine Bezahlvariante verfügen – ein Webstick ist da eine große Hilfe. Allerdings funktioniert der natürlich in den Alpen auch nicht immer – die Netzabdeckung ist nicht überall gewährleistet.

2 Kommentare

  1. Und ich bedanke mich dafür, dass ich die letzten zwei Tage Teil dieser Tour sein durfte.

    • Christoph Springer Christoph Springer

      So hat die MZ auch ein Stück der großen weiten Welt gesehen. 😉

Kommentare sind geschlossen.