Skandal! Katastrophe! Unerhörte Neuigkeiten aus dem roten Osten! Angie war im ZV-Lager. So, liebe Wessis, nannten wir kurz die Pflichtübung für alle jungen DDRler, die zivile Verteidigung mehrere Tage am Stück zu üben und dazu in einem Lager zu leben. Die Mädchen mussten lernen, wie man Pflaster aufklebt und Mullbinden um einen gebrochenen Arm wickelt, die Jungen rannten mit Holzgewehren durch die Gegend und sollten das Marschieren trainieren. Alle mussten labbrige Uniformen tragen, wohnten in dieser Zeit in Mehrbettzimmern, Jungs und Mädchen waren getrennt, es wurde zum Appell angetreten. So weit, so gar nicht gut. Auch Angela Merkel war also im ZV-Lager, meldet heute die Bild. Das ist ja schlimm!!! Überhaupt – Angie hat ganz offenbar eine typische DDR-Jugend erlebt. Sie war in der FDJ (unerhört als Pfarrerstochter!!!), sogar für Agitprop zuständig (für Wessis: Agitation und Propaganda) und hat zuvor womöglich „für immer bereit“ bei den Pionieren gegrüßt. Im schlimmsten Fall beherrscht sie sogar noch heute den Text der DDR-Nationalhymne, der ja selbst im roten Osten viele Jahre verboten war: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland.“
Nein, ich gehöre gewiss nicht zu den glühendsten Verehrern der Kanzlerin und schon gar nicht zur Stammwählerschaft „ihrer“ Partei. Dennoch geht mir mächtig auf den Senkel, wie derzeit immer mal wieder eine Episode aus ihrer ach so roten DDR-Vergangenheit ausgebreitet wird! Denn wird mit diesem Maßstab gemessen, dann waren wir alle rote Socken – auch viele berühmte Künstler, Menschen , die in der DDR studiert haben und jetzt Staatsbedienstete sind, Journalistenkollegen und ich, DDR-Ausreise hin oder her. Ich war Jungpionier und als Thälmannpionier sogar stellvertretender Gruppenratsvorsitzender. Damals „durfte“ ich als Wandzeitungsredakteur auch agitieren und propagieren (früh übt sich!!!). Und in der FDJ war ich auch. In der Nationalen Volksarmee (das Foto in Ausgehuniform entstand Weihnachten 1982) habe ich es sogar bis zum Gefreiten gebracht. Mein Austritt aus der FDJ hat dieser steilen Karriere nicht geschadet, nur die „Störung der massenpolitischen Arbeit“ im Fla-Raketen-Regiment 13 „Edgar André“ – am Ende wurde ich als Soldat Springer entlassen…
Angies Nachteil und der Vorteil derjenigen, die ihre DDR-Geschichte täglich aufs Neue kritisieren: Das macht Quote, verkauft Bücher und Zeitungen. Dafür taugt auch ein Sturm im Wasserglas. Vor allem, wenn man ihn selbst entfacht hat. Es ist zum …