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Vergnügliches Kraft-Rad

Zwei mit dicken Backen: Die neue 09 und das „Vorbild“, eine Vmax.

Dresden (cs). Jede Menge Lob gab es schon für Yamahas neue Hoffnungsträger MT09 und MT07. Am (neuen) Erfolg der Marke zweifelt kaum noch jemand und wenn sich die Konstrukteure aus Nippon jetzt nicht ausruhen, dann wird ihr Neustart nur um so überzeugender. Doch manches geht noch besser an der MT09, die sehnlichst erwartet wurde und bei der man viel Geduld braucht, will man eines der Bikes demnächst in die eigene Garage schieben. Laut aktueller Auskunft muss man Glück haben, um 2014 überhaupt noch eine neue MT09 erwerben zu können. Ausverkauft!

Wie sie sehen, sehen sie nichts (vom rückwärtigen Verkehr).

Nun zur Kritik: Wirklich schlecht sind die Spiegel, man sieht darin nur die eigenen Arme. Deutlich besser geht auch die billige und mit zu wenig Kanten versehene Sitzbank. Denn beim Sprint mit Schmackes (und den hat der neue Yamaha-Drilling allemal) rutscht man leicht über den breiteren Mittelteil der Bank in Richtung Soziusplatz. Da fehlt ein deutlicher Abschluss, an dem die unfreiwillige Rutschpartie auf dem recht glatten Kunststoff gestoppt wird. Und weiter? Manchmal wird gehupt, anstatt zu blinken, denn der Blinkerknopf ist recht klein geraten und befindet sich ausgesprochen dicht am Drücker für die Hupe. Und der Drehzahlmesser im Mäusekino ist nur schlecht abzulesen. Das gelingt erst, wenn man genau weiß, wo der rote Bereich beginnt.

Mäusekino mit Ganganzeige (links, top!) und schlecht ablesbarem Drehzahlmesser (oben, nicht top!!).

Aber es lohnt sich, den Motor bis dahin auszureizen. Wenn die vesammelten 115 PS des Dreizylinder-Triebwerks an der Kette reißen, peitscht die Fuhre wunderbar voran. Die Drehzalanzeige jagt zugleich in den fünfstelligen Bereich. Bei mehr als 11.000 U/min greift der Begrenzer dann in einem Stil ins Geschehen ein, den man fast schon zärtlich nennen kann. Wirkungsvoll, aber ohne den voll beschäftigten Fahrer zu erschrecken. Übrigens passiert das erst jenseits der 100 km/h-Marke, probiert man das (ausnahmsweise mal) im ersten Gang.

Der kurze Radstand (1,44 Meter) verbunden mit dem steilen Winkel der (leider nicht eloxierten) Upside-down-Gabel verpassen der MT eine Lenkgenauigkeit, die der Lage jederzeit gewachsen ist. Nur kurze, harte Schläge etwa auf schlechten Straßen zwingen, das Gas wegzunehmen, damit das Fahrwerk wieder zur Ruhe kommt. Dabei zieht der Drilling bereitwillig auch aus untersten Drehzahlen und ohne auf die Kette einzuhacken in angenehmere Tourenbereiche. Selbst 30 km/h im sechsten Gang sind drin, dafür ist das Triebwerk aber nicht gemacht.

Apropos: Der Motor ist der Knackpunkt des Geräts. Von Yamaha komplett neu entwickelt zielt er klar auf das Vorbild von Triumph und muss sich nicht verstecken. Drei Fahrmodi stehen zur Verfügung, die sich während der Fahrt einstellen lassen. Mir hätten zwei genügt, der knackige A-Modus und der etwas sanftere „Standard-Modus“. Der B-Modus macht das Triebwerk teigig und nimmt der kleinen Maschine genau jene Explosivität, die sie so liebenswert macht. Letztere macht übrigens auch der hübsche Stummelauspuff hörbar. Von „ich-bin-gar-nicht-da“ bis „ich-bin-ganz-furchtbar-böse“ reicht das akustische Spektrum. Die dunklen Sprenkel am Auspuffende sorgten übrigens nur kurz für Verstimmung – laut Fachmann handelte es sich lediglich um Kondenswasser mit etwas Ruß, nichts Böses oder gar Eingebranntes.

Die schwarzen Sprenkel an der hübschen Esse sind nur Kondenswasser und Ruß.

Der Soziusplatz der „09“ scheint ausgewachsen zu sein, den habe ich nur unfreiwillig getestet (siehe oben). Doch schon von seiner äußeren Anmutung her empfiehlt sich der neue Yamaha-Hoffnungsträger eher als Singlebike. Das ist er dann aber auch mit Leib und Seele. Ein wirklich vergnügliches Kraft-Rad! ABS ist natürlich serienmäßig an Bord, die recht groben aber beruhigend wirkenden Regelintervalle konnte ich nur am Hinterrad testen…

Wer nun ein Fazit erwartet, dem sei die „09“ wärmstens empfohlen. Sie ist klein und handlich, aber dennoch ein ausgewachsenes Motorrad und für knapp 7500 Euro ein kaum zu schlagendes Schnäppchen. Mehr ist nicht nötig. Weniger bietet Yamaha mit der MT07. Allein der neue Drilling in der getesten Maschine ist es aber wert, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Vielleicht bringen es die Yamaha-Techniker ja fertig, um ihn herum noch andere Motorräder zu schmieden. Zum Beispiel einen neuen Supersportler, bei dem der Motor dann bis in die 15.000er dreht.  Oder endlich einen würdigen Nachfolger der in die Jahre gekommenen großen Ténéré, bei der der Drilling auf mehr Drehmoment auch in niedrigen Tourenbereichen getrimmt ist (das wäre dann mein Favorit).

Schöne Gegend (Raps bei Königstein), schönes Spiel-Zeug (MT09) – was will man mehr.

2 Comments

  1. Hi Christoph,
    gewissermaßen als Ankermieter der Yamaha-Neuerscheinung, kann ich die Einschätzung in allen Punkten bestätigen. Schließlich hatte ich noch weitere zwei Tage zum ausgiebigen Test. Danach rückte die „09“ bei mir tatsächlich in die ganz enge Wahl einer Wiederbeschaffung auf.
    Mit nicht einmal 50 Kilometern auf der Digitaluhr, quasi jungfräulich, durfte ich der MT gleich auf der Glacisstraße die Sporen geben. Anders als gelegentlich im richtigen Leben hatten wir beide Spaß. Und zwar so richtig. Mit einem Mietvertag und dem wörtlichen Vermerk „Christoph darf auch mal fahren“ sowie nach warnenden Worten des Vertrauenshändlers („Die Reifen sind noch ganz neu, also bei Nässe nicht so wild!““ verabschiedeten wir uns zügig ins sächsische Umland. Es war ja nicht nass. Nicht viel später hatten wir den Inhalt des Vermerks beherzigt und Deine Eindrücke sind das Resultat.
    Am nächsten Tag nahm ich mir die Zeit für einen „Walkaround“. Optisch gibt es zweifellos Reserven. Die blauen Felgen dieser Ausführung sind top. Der Stummelpuff auch. Dennoch tendierte der Gesamteindruck trotz bereits angebauter Accessoires eher zur grauen Maus. Hier wären mehr als vier Grundfarben wünschenswert. Zwar gibt es eine orangefarbene Version und zwei Varianten haben auch die eloxierte „Upside-down“, aber der „Diese-Farbe-muss-es-unbedingt-sein-Effekt“ trat bei mir auch beim Blick auf die anderen drei Lackierungen im Internet nicht ein. Knaller sehen anders aus. Der Trip führte mich zum Knödelessen ins Böhmische. Die „09“ brillierte vor allem auf den Bergstrecken mit ungeahnter Spritzigkeit. Ihre Steuerelektronik hatte alles im Griff. Auch wenn der Fahrer sich trotz Anzeige vor der Kurve mal in den Gängen verdaddelte. Der „Dreitopf“ verzieh einfach alles. In hohem Gang ohne Kettenschlagen um die Kurve ging ebenso gut wie in niedrigem Gang mit entlastetem Vorderreifen ein Stück gerade Strecke zu brettern. Die Maschine ist leicht und handlich. Im Übrigen war es das erste Mopped nach Wiedereinstieg, bei dem mir nach einiger Zeit nicht die Hände einschliefen. Sicher dem Spaß geschuldet. Mehr noch der gewollt aufrechten Sitzposition. Das brachte heimwärts auf dem Stück A17 dafür einen Krampf im Genick. Ab 150 km/h flogen mir auf der nackten Jungfrau auch die Hosen davon. Aber für lange Autobahnfahrten holt man sich ja keine „09“. Beim Kaffeestopp an der Kleinzschachwitzer Elbfähre war die Maschine dann der „Hingucker“. Weniger wegen ihrer fehlenden Extravaganz. Vielmehr wegen ihrer Neuartigkeit und den bei Bikern schon bekannten Testberichten. Trotz heiligster Versprechen einiger an einer Proberunde Interessierter gehorchte sie weiterhin nur meinem Schenkeldruck.
    Bei bedecktem Wetter zeigte der Scheinwerfer am dritten Testtag nach Norden. Der kurze Halt am feiertagsbedingt geschlossenen Triumph-Shop sollte den „Triple-Oldies“ mal einen Eindruck ihrer modernen Schwester verschaffen und dem Steuermann eine schnelle Raucherpause. Eigentlich war der Spreewald anvisiertes Ziel, wurde aber zugunsten eines Kaffees am Senftenberger See und wegen zunehmenden Windes mit gelegentlichem Nieselregen noch vor dem „Gurkendreick“ eingekürzt. In Senftenberg wollten uns dann drei Supersportler zeigen, warum sie ihren Namen tragen. Bis 135 km/h waren die „Verkleideten“ aber sowas von schief gewickelt… Dann verbot uns der Anstand, den Gasgriff weiter rotieren zu lassen. Immerhin erschien am Horizont erst ganz langsam das Ortsausgangsschild. War schon mal jemand in Lauchhammer? In der um eine Eisenbahntrasse herum gewickelten Ortschaft? Nach fünf Runden durch Siedlungsgebiete mit gefühlten 15 Bahntunnel, -brücken und -übergängen über eine einzige Trasse ging es wieder Richtung Süden. Und das Wetter wurde besser. Dabei durfte die „09“ mal ausgiebig in den verschiedenen Steuermodi rennen. Ich finde, alle sind berechtigt. Den Unterschied bemerkt man aber erst bei der zweiten Runde. Neben dem aggressiven A-Modus und der Standardeinstellung hat der B-Modus vor allem auf unebenen Straßen seine Berechtigung. Bodenwellen mit der Hand am Gas lassen das leistungsstarke Zweirad sonst wie eine Ziege springen. In Stellung „B“ geht das viel entspannter. Die Umschaltung funktioniert auch während der Fahrt. Aber nur bei gezogener Kupplung. Das muss man wissen. Vor dem verspäteten Spargelessen in Diesbar wurde auch Madame beköstigt. Mit rund 5,2 Litern erfüllt sie das weibliche Klischee geringer Sparsamkeit. Dennoch, im Testbetrieb mit Drehzahlen ganz unten und ganz oben war das völlig in Ordnung. Wer außerhalb von Ortschaften sparsam fährt, bekommt sie sicher auf weniger als fünf Liter.
    Mit mehr als 650 Kilometern auf dem Tacho und nicht ganz bis zur Kante aufgerauhten Reifen musste ich die MT09 am Dienstag nach Ostern wieder abgeben. Leider. Im Stadtverkehr wie über Land gleichermaßen ist sie für mich nun das Maß der Dinge, an dem sich die anderen messen lassen müssen. Leicht, handlich, spritzig – sie vereint die Vorteile drehfreudiger Zweizylinder mit der Gutmütigkeit elastischer Vierzylinder. Für so viel Motorrad ist der Preis mehr als gut. Dennoch bleiben Wünsche offen. Außer der fehlenden Farbenvielfalt. Wie Christoph hatte auch ich keine Rückspiegel mit. Jedenfalls keine, in denen man etwas sieht. Vielleicht sollten sich die Nippon-Schmieden für Durchschnittseuropa mehr an Sumo als an Samurai orientieren. Schade auch, dass die LEDs nur im Bremslicht verbaut sind und nicht schon im Blinker. Als müsste Yamaha den niedrigen Kampfpreis mit Extra-Umsätzen kompensieren – das haben die nicht nötig. Ebenso gibt es als Sonderausstattung eine verbesserte Sitzbank. Leider ohne den von Christoph erwähnten Absatz. Ansonsten fallen mir noch eine Reihe Kleinigkeiten wie ein zu steiler Fußbremshebel oder die fehlende 12V-Dose ein (jedenfalls habe ich keine gefunden).
    Grundsätzlich geht der Daumen aber steil nach oben. Fein, was die Yamaha-Mixer da zusammengerührt haben. Im Kochduell bekommt die „09“ von mir klare sechs Mützen. Aber die „07“ will ich auch noch mal. Auch mit einem Topf weniger….

    VG
    Falk

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