Dresden (cs). Ende der Eiszeit. US-Präsident Barack Obama will engere Beziehungen zu Kuba. Das wird sicher auch Carlos, Eladio und Lazaro Brotons freuen. Drei von 12 Motorradfahrern, die der gebürtige Leipziger Jens Fuge in seinem neuen Buch vorstellt. „Harlistas in der Karibik“ ist der Titel und es geht um die Harley-Gemeinde auf Kuba. Wie Carlos, Eladio und Lazaro Brotons sind das zumeist Besitzer sehr alter Maschinen. Oft stammen die Bikes aus den 40ern. So, wie auch die 1949er Panhead, auf der sich Ernesto Guevara von Fuge in Havanna ablichten ließ. Der Sohn des berühmten „Commandante“ „Che“ Guevara, dessen Konterfrei die meisten nur von T-Shirt-Aufdrucken kennen, geht in der Regel gemeinsam mit seinem Freund Camillo Sánchez Gil auf Tour. Gemeinsam besitzen sie mehrere Maschinen und gehören damit klar zu den privilegierten Harlistas auf der Karibikinsel.
„Verschüttete Tunnel, zerbrochene Brücken, rutschige Straßen, Nutten, Künstler, Tätowierer.“ Im Pressetext, den Fuges eigener Verlag Backroad Diaries dem Buch im eher ungeöhnlichen A4-Format beigelegt hat, wird nicht gespart mit Schlüsselwörtern, die jeden Motorradfahrer neugierig machen. Und die zugleich alle gängigen Klischees der Szene bedienen. Damit spart er leider auf keiner Seite des reichlich 100 Seiten starken Buches, das sich zu etwa zwei Dritteln aus Tour- und Erlebnisberichten und einem Drittel den Portraits der 12 Harleyfahrer zusammensetzt. Gern beschreibt Fuge, wie (ausschließlich) andere mit ihren Chicas oder einer „großgewachsenen Mulata“ in Hinterzimmern verschwinden und was sie später darüber erzählen. Stets ist von Rumflaschen die Rede, die in Gruppen kreisen, zu denen durchaus auch Mal sehr junge Menschen gehören. So überrascht es schließlich auch nicht, dass sich der 1963 geborene Autor in seinem Kuba-Buch in der eigenen Vita für seinen engen Kontakt zu Hells-Angels-Gründer Sonny Barger rühmt. Zu jenem „Biker“, der als Schwerkrimineller verurteilt wurde und viele Jahre lang in den USA hinter Gittern saß. Und im Namen dessen Clubs auch heute noch geraubt und gemordet wird.
Auf der anderen Seite bietet „Harlistas in der Karibik“ auch phantasievolle Tourbeschreibungen. Man kann die Hitze der Sonne Kubas nachempfinden, wenn Fuge über seine Motorradritte auf der Insel schreibt. Man kann die Sehnsucht der Harleyfahrer verstehen, die auf der Insel leben und sich nichts sehnlicher wünschen, als auch Mal bei dem legendären Markentreffen in Daytona dabei sein zu können. Und man kann den Reiz der Motorradmarke nachempfinden, die nur zwei Gefühlsregungen zulässt: Entweder man liebt sie, oder man hasst sie.
Mein Fazit: Fuges Kuba-Erinnerungen zu lesen, ist ein schönes Wintervergnügen. Allerdings sollte man dem Autor und seinen Beschreibungen durchaus mit etwas Abstand begegnen. Er ist zu unkritisch und gibt allzugern der Versuchung nach, in dumpfe Rockerklischees zu verfallen. Weshalb das Buch übrigens im A4-Format erschienen ist, erklärt sich gar nicht. Die Fotos können kaum die Erklärung dafür sein, sie hätten auch in ein normales Buchformat gepasst.
Harlistas in der Karibik
Buch im A4-Format, 104 Seiten, Hardcover
Backroad Diaries Verlag 2014
ISBN 978-3981602333
Endlich! Es hat aber auch gedauert!!! Da haben wir es: „zu unkritisch“, „dumpfe Rocker-Klischees“, „mit Abstand begegnen“. Ja, was will er denn, der Schreiber, der sich „des engen Kontakts zu Hells-Angels-Gründer Sonny Barger rühmt“? Ich persönlich glaube, der Rezensent vermischt hier erst mal zwei unterschiedliche Bücher: Eines, das er auf dem Tisch hat, ein anderes, das er vermutlich gar nicht kennt und nur in der Ankündigung gelesen hat. Also: Sonny Barger hat mit dem Kuba-Buch schon mal nichts zu tun. Wo also ist nun das Kuba-Buch „unkritisch“? Weil die Rocker darin nicht so böse sind, oder tatsächlich Rum trinken oder in der Tat die Chicas nicht von der Bettkante stoßen? Oder weil sich der Autor nicht eigener „Heldentaten“ rühmt? Weißt Du, Kollege Rezensent, es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder Enthüllungs-, Phantasie- oder Undercover-Rockerbuch – damit kommst du in die Hitlisten der Republik. Klingt gut, bedient wirklich alle Klischees und verkauft sich prima. Mit der Wahrheit hats am Ende nur wenig zu tun. Oder Du machst dir die Mühe und gehst direkt hin, schaust es dir an und schreibst drüber. Dann wirst du feststellen, dass tatsächlich gesoffen, gevögelt und gefahren wird. Und nicht nur geputzt und geprahlt. Und dass Sonny Barger inzwischen ein alter Mann ist, der reflektiert und nachdenklich im Interview ist und als „Biker“ noch 70 000 Kilometer jährlich abreißt – mit mittlerweile 76 Jahren. Aber dafür müsste man das dazugehörige Buch erst lesen und es für tatsächlich möglich halten, dass Klischees nicht immer stimmen.
Danke trotzdem für die Rezension des „kürzlich in der Redaktion eingetroffenen Buches“ ( es war am 1. Oktober) – wo die Klischees tatsächlich sitzen, hat sie eindrucksvoll bewiesen.
Vielen Dank erst mal für die Reaktion. Freue mich sehr darüber und antworte auch noch ausführlicher. Jetzt „darf“ ich mich aber erst mal journalistisch dem heutigen Demogeschehen in Dresden widmen. Auch wenn einige sicher gleich wieder „Lügenpresse“ schreien.