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171 Kilometer Wasserfahrt

Knapp sieben Tage Bootstour auf der Havel sind pure Entspannung. Dabei hilft sogar Regen.

Auf großer Havel-Fahrt mit einem Verfolger.

Die bestimmenden Geräusche dieser Reise werden am Ende das ruhige Blubbern des Schiffsdiesels und das Rauschen des Wassers hinter der Schraube sein. Ein akustischer Mix, der binnen Sekunden eine fast schon hypnotische Wirkung entfaltet. Er beruhigt, bremst, entspannt. Und er passt zur Langsamkeit des Bootsurlaubs. Alles läuft wie in Zeitlupe ab und die Tage wirken länger.

Auf der Havel – und mal mit „viel“ Verkehr.

Tag1

Die erste Aufregung legt sich schon bei der Übergabe des Schiffs unweit der Marina in Zehdenick. Der Beauftragte von Eigner Christian Wermers erklärt in aller Ruhe die fast zehn Tonnen schwere Stahlyacht. Er entpuppt sich schnell als Revierkenner und rät uns an diesem Sonntagnachmittag noch zu einer entspannten Tour bis zur Schleuse Kannenburg am Ende des Großen Kuhwall Sees. Die Kneipe dahinter sei wirklich gut, empfiehlt er ein Abendessen an Land, und der Schleusenwärter würde uns für ein Bier bestimmt auch über Nacht einen Liegeplatz lassen.

Wir haben keinen Zeitdruck und blubbern im Havel-Spitzentempo Richtung Nordosten. Neun Stundenkilometer erlaubt die Wasserschutzpolizei. Das ist gerade richtig, um den Schiffsdiesel ein wenig zu hören und im lockeren Dauerlauftempo an Feldern vorbei, durch Wälder, an dichtem Schilf entlang in Reichweite von Seerosen und Reihern durch unzählige Kurven zu fahren. Knapp drei Stunden später ankern wir auf dem Kuhwall-See für ein erfrischendes Bad, eine halbe Stunde danach machen wir unterhalb der Schleuse fest. Der Wärter lässt uns den Liegeplatz und die Kneipe entpuppt sich als Schnitzelparadies.

Der erste Liegeplatz an der Wartestelle der Schleuse Kannenburg.

Tag2

Frühstück an Deck im Sonnenschein. Es geht kaum besser. Wir starten mit einem Kaffee in der Hand zurück auf den Kuhwall-See und genießen knusprige Brötchen, Wurst und Käse auf unserer Aussichtsplattform im strahlenden Sonnenschein. Unterdessen tanzt das Boot im Wind um die Ankerkette. Wir sind froh, einen Kartenplotter dabei zu haben. Dieses Gerät zeichnet unseren Fahrtweg auf und zeigt – der Anker hält (fast).

Heute wollen wir schleusen. Gleich mehrfach. Es beginnt mit der Schleuse Schorfheide. Selbstbedienung. Wer hier treppauf oder treppab will, muss Hebel ziehen, Ampelsignale beachten und auf andere Boote warten. Eigentlich ganz einfach, wäre da nicht die Sorge um den Schiffsrumpf, der an mächtigen Pfählen entlangscheuern oder gegen Ecken und Kanten stoßen könnte. In der Ruhe liegt die Kraft, gibt der erfahrendste Mann an Bord zu verstehen, nimmt das Ruder selbst in die Hand und zeigt uns weniger seetüchtigen Mitfahrern, worauf es ankommt. Mit der Zeit werden solche Schleusendurchfahrten für uns zur Routine, die wir schließlich fast wortlos und stets ohne Schrammen meistern.

Das obere Tor der Schleuse Bredereiche ist besonders markant.

Heute schleusen wir noch in Zaaren, Regow und Bredereiche, bevor wir das Stolpsee Bootshaus Himmelpfort ansteuern. Den Ort mit dem Weihnachtsmannpostamt prägt vor allem ein ehemaliges Zisterzienserkloster. Noch viel mehr als die Sehenswürdigkeiten locken uns aber die Duschen im Hafen und die Fischgaststätte nebenan.

Tag3

Die Müritz war das Traumziel dieser Bootstour. Wir haben den Gedanken daran gleich am ersten Tag beerdigt. Zu weit entfernt, zu viele Schleusen, wurden wir belehrt und haben deshalb Rheinsberg als Alternative ausgewählt. Heute müssten wir es bis dorthin schaffen, um am Sonntag rechtzeitig zur Bootsübergabe wieder in Zehdenick zu sein, haben wir ausgerechnet. Leinen los, möglichst früh, und dann mit satten neun Stundenkilometern in Richtung Ziel.

Am Anfang ging das noch ganz gut. Wir fuhren durch den langen Stolpsee in die Siggelhavel und hinüber nach Fürstenberg. Dort war dann vorerst Schluss. Schiffsstau vor der Schleuse, wir mussten zunächst sogar auf dem Teich davor umherkurven, weil kein Platz für uns an der Bootswartestelle war. Zwei oder drei Schleusengänge dauerte es, bis wir unsere Fahrt fortsetzen konnten. Zur Erklärung: einfahren, festmachen, schleusen, ausfahren, einfahren des Gegenverkehrs, festmachen, schleusen, ausfahren – das ist ein Schleusenzyklus und das kann schon mal eine knappe halbe Stunde dauern.

In Fürstenberg nach der Schleusenausfahrt war viel Verkehr.

Besonderen Nervenkitzel bereiteten uns hier zwei Schiffe, die wir ab sofort Ikea-Boote nannten – kleine Holzhäuschen auf dem Wasser, angetrieben von Außenbordmotoren, denen beim Rennen zur nächsten Schleuse schnell die Puste ausging. Die Besatzungen dieser Boote machten wir als eher unerfahrene Seefahrer aus. Hier in Fürstenberg rumpelte eines dieser Boote bei der Schleusenausfahrt so heftig gegen die Wand, dass wir Schlimmstes fürchteten. Es blieb bei Befürchtungen.

Superlecker: Die Heringsplatte im Fischerhof Rheinsberg.

Drei Mal mussten wir an diesem Tag noch durch Schleusen fahren und die Tour war schließlich so lang, dass wir in der Dämmerung in Rheinsberg ankamen. Das Anlegemanöver am Steg des Stadthafens mussten wir rückwärts hinbekommen und die Möglichkeiten, das Boot festzumachen, waren arg beschränkt. Dafür wurden wir mit tollem Essen und dem Lächeln der hübschen blonden Kellnerin im nahen Gasthaus Zum Fischerhof belohnt.

Dieser Blick auf Schloss Rheinsberg ist nur Bootsfahrern vergönnt.

Tag4

Heute war Kultur. Jedenfalls einen halben Tag lang. Schließlich lagen wir in Rheinsberg, einer Kleinstadt, mit einem berühmten Schloss, das eine Zeit lang Kronzprinz Friedrich gehörte, dem späteren  König Friedrich II. Der tolle Schlossgarten liegt direkt am Wasser und wird von mehreren interessanten Bauten geprägt – unter anderem einem großen Obelisken. Das Schloss selbst ist Anziehungspunkt für jede Menge Touristen, die es bevorzugt von der Seeseite aus fotografieren. Es ist nicht groß und beherbergt mehrere Ausstellungen, die wir uns aber nicht angesehen haben. Schließlich mussten wir noch Boot fahren, vorher ein wenig einkaufen und Eis essen.

Kurz nach 12 Uhr legten wir schließlich in Rheinsberg ab. Um am Sonntag rechtzeitig in Zehdenick zurück zu sein, mussten wir heute noch ein paar Kilometer schaffen. Doch schon bald war vorerst Schluss. An der Schleuse Wolfsbruch, von der wir später noch mehrfach hörten, dass sie ein besonderes Nadelöhr ist, hingen wir stundenlang im Bootsstau fest. Fast vier Stunden lang! Erst am Spätnachmittag kamen wir durch. Es war zwar eine kurzweilige Wartezeit, bei der wir unter anderem gelernt haben, dass die Berufsschifffahrt auch beim Schleusen Vorfahrt hat, aber die Hälfte der Zeit hätte es auch getan….

An diesem Abend entschädigte uns dafür unser Liegeplatz. Kaum haben wir die Schleuse Strasen verlassen, weitet sich der Ellenbogensee. Und gleich am Anfang des Sees steuern wir einen Steg an. Mehrere Yachten liegen dort, ein Mann hilft uns beim Anlegemanöver. Das ist die kleinste Marina, in der wir auf dieser Tour übernachten. Und zugleich die schönste. Sie gehört zur Firma Yachtcharter Naumann. Fische springen, Frösche quaken, nachts rauscht leise Nieselregen über den See.

Spiegelglattes Wasser und absolute Stille – die Havel nach dem Regen.

Tag5

Regen. Auch das muss mal sein. Es ist nass. Nachts hat es ordentlich geschüttet, wir packen uns heute in wasserdichte Klamotten. Die Wolken hängen tief, Nebel hängt über den Wäldern und mancherorts sind wir mutterseelenallein. Schön, diese Ruhe. Sie ist besonders dann reizvoll, wenn wir ganz allein durch enge Havelbögen fahren. Vor uns ist das Wasser spiegelglatt und dampft. Und hinter uns kommt niemand. Noch nicht einmal Vögel sind zu hören und die an anderen Tagen allgegenwärtigen Reiher lassen sich heute auch nicht sehen. So fahren wir bis Bredereiche und übernachten vor der Schleuse mit dem markanten Quertor.

Am Liegeplatz in Bredereiche lässt sich die Schleuseneinfahrt bestens überwachen.

Tag6

Wie entspannt ein Tag sein kann, an dem man nicht bis zur Dämmerung mit dem Boot unterwegs ist, haben wir schon am fünften Tag dieser Reise erlebt. So soll das auch heute werden. Unsere Tour ist überschaubar und führt zunächst durch vier Schleusen weiter in Richtung Heimathafen. Wir folgen aber nicht der Havel Richtung Süden, sondern biegen noch einmal in die Templiner Gewässer ab. Dieses Mal durchfahren wir auch die Schleuse Kannenburg, lassen das Schnitzelparadies dahinter rechts liegen und fahren bis in den langgezogenen Röddelinsee. Hier haben wir es auf eine Marina mit dem Namen Biberburg-Tours abgesehen und legen bei kräftigem Westwind an. Kein einfaches Manöver, aber auch das gelingt ohne Schrammen. Die Anlage ist fast ein wenig zu ordentlich. Sie besteht aus einer kleinen Marina, in der Mann auch jede Menge Ikea-Boote findet. Dazu gehört aber auch eine top gemähte Wiese, auf der ein paar Ferienbungalows stehen. Feuerholz liegt in großen Schalen bereit, Grills sind bestückt, Dusche und Toilette sind nicht weit und kein Fitzelchen Papier liegt herum, noch nicht mal ein Blatt liegt auf der Wiese.

Wir sind so früh dran, dass wir noch in Ruhe lesen und ein wenig schlafen können, bevor wir am Abend die uns empfohlene Kneipe aufsuchen. Leider ist das Wild im „Keiler“ gerade aus.

Allein auf der Havel.

Tag6

Abfahrt zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr hatten wir beschlossen. Haben wir aber nicht geschafft. Das gemütliche Frühstück in unserem Boot hat etwas länger gedauert. Immerhin gabs frische Brötchen, die der Platzwart bestellt hat. Wir kommen also etwa eine Viertelstunde zu spät los und seitdem haben wir Zeitdruck. Auch beim Tanken im Neuen Hafen nahe Zehdenick. Bei reichlich 66 Litern bleibt die Tankuhr stehen – wir sind wirklich überrascht, hatten wir doch mit einer satten dreistelligen Literzahl gerechnet. Später erfahren wir – fährt man den Motor im Wohlfühlmodus – also mit etwa 1100 bis 1300 Umdrehungen pro Minute – dankt er das mit Sparsamkeit.

Knapp zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit erreichen wir unseren Heimathafen. Und keine Stunde danach sind wir schon im Auto auf dem Heimweg.

Fazit

Wir sind an diesen fünf Tagen fast 172 Kilometer mit „unserer“ Yacht gefahren. Das war ein extrem entspannendes Erlebnis. Nie wurde es gefährlich, was wohl auch der Tatsache zu verdanken ist, dass wir stets langsam gemacht haben. Ob nun beim Anlegen, in Schleusen oder beim Manövrieren in den schmalen Havelkurven. Die Liegegebühren in den Häfen lagen zwischen 16.50 Euro und 22 Euro pro Nacht – wir hätten sicherlich auch noch eine Nacht vor Anker in irgendeinem See übernachten und so etwas Geld sparen können. Die schönsten Liegeplätze waren beim Yachtcharter Naumann, am Stolpsee Bootshaus Himmelpfort und vor der Schleuse Kannenburg.

Abendstimmung auf dem Stolpsee bei Himmelpfort.