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Was Beifall und Bravo-Rufe übertreffen kann

Alle saßen schon da, lange bevor wir eintrafen. Und auch dann noch, als wir uns im Nachbarraum längst Kaffee und Dominosteine schmecken ließen, saßen sie noch da. Aufgereiht, in Rollstühlen oder an einfachen Tischen, den Rollator in Greifweite. Die meisten von ihnen waren Frauen, nur ein halbes Dutzend Männer. Alle waren auf Hilfe angewiesen. Die Stimmung war nicht festlich. Keine Räucherkerzen, kein Stollen, kein Kaffee. Es roch nach Urin und manchmal störte durchdringender Husten.

Vario Vocale hat heute in einem Altersheim am Rand der Johannstadt gesungen. Denn dorthin, wo in Dresden weihnachtliche Hochkultur geboten wird, schaffen es die Bewohner solcher Heime kaum. Kreuzkirche, Dreikönigskirche, Frauenkirche, Kulturpalast und die Oper sind für diese Menschen eine andere Welt. Ihre Welt sind ihre Zimmer in dem Neubau nahe der Uniklinik, die Gemeinschaftsräume und gelegentlicher Besuch. Zufall ist natürlich, dass sich gegenüber ausgerechnet ein Friedhof befindet.

„Es ist ein Ros entsprungen“, „Vom Himmel hoch“, Sätze von Michael Praetorius und Johann Sebastian Bach, volkstümliche und Lieder aus dem Erzgebirge hatten wir im Programm. Es gab Beifall und Bravo-Rufe.  Das Schönste aber: Leise, manchmal kaum hörbar wurde mitgesungen.

Ein Kommentar

  1. Ein trauriger Beitrag. Vergelt’s Euch Gott.

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