Allgemein / Weltanschauliches

Mehr tun für Russlanddeutsche

Schaschlik gelingt am besten auf einem selbst gebauten Grill.

Ein mehr oder weniger wacklicker selbstgebauter Grill aus mehrfach durchglühtem Blech, darauf lange Spieße, gehalten von Gittern, in die sie eingeklemmt über der Kohle hängen. Auf den Spießen stecken großzügig geschnittene Scheinefleischwürfel, nichts sonst. Der Chef am Grill fischt die vorgewürzten Spieße aus einer großen abgedeckten Plastikwanne, packt sie in die Zangengitter und legt sie über die Kohle. So geht russisches Barbecue. Und genau das gab es heute beim „Begegnungstag für Aussiedler“ der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (EVLKS) in Coswig.

Mehr als 1000 Gäste waren aus ganz Sachsen angereist, vornehmlich ältere Frauen, Russlanddeutsche fast alle. Es war für sie offenbar ein großes Vergnügen, unter seinesgleichen zu sein, miteinander zu singen, das Kulturprogramm auf dem Wettinplatz zu genießen, zu essen und zu trinken. Barbecue eben, Wodka gab es aber nicht. Die Musik war dafür typisch – Frauen in russischen Trachten sangen im Chor zum Akkordeon und wedelten dabei mit Tüchern. Nicht jedermanns Sache, den Gästen des Begegnungstages hat es aber gefallen. Sie haben mitgesungen, geklatscht, geschunkelt und waren ganz aus dem Häuschen.

Ernst gingst dagegen drinnen zu, zum Beispiel im Gemeindezentrum der evangelischen Kirchgemeinde in Coswig. Dort diskutierte unter anderem Staatssekretär Christoph Bergner, Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer und zugleich Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, mit den Gästen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage der Sprachprüfungen, denen sich auch Russlanddeutsche und deren Angehörige stellen müssen, wollen sie nach Deutschland übersiedeln. Bergner: „Der Verlust der deutschen Sprache ist ein Kriegsfolgenschicksal.“ Das heißt – mangelnde Deutschkenntnisse Russlanddeutscher sind aus seiner Sicht nichts anderes als ein bedauernswerter, aber zumeist nicht selbst verschuldeter Verlust. Diese Position kann man durchaus teilen und konstatieren: Dass Russlanddeutsche zur Stalinzeit und in der Sowjetunion gleichermaßen ungelitten waren, ist Teil der deutschen (Kriegs)Geschichte und der Verantwortung für sie kann man sich nicht mittels zusätzlicher Einbürgerungshürden mittels Sprachprüfungen entledigen. Da muss man schon mehr tun.

Der Aussiedlertag der evangelischen Kirche passt zum Engagement für die deutsche evangelische Gemeinde von St. Petersburg. Dort ist aber Hilfe zur Selbsthilfe das Ziel, also Unterstützung vor Ort, Stärkung des Engagements und des Zusammenhalts innerhalb der kleinen, aktiven Gemeinde.

  • Der Übersetzer in Coswig war heute Roman Bannack, ein Dresdner, dessen Muttersprache Russisch ist und der nebenbei auch Motorrad fährt. Mit seiner BMW F 800 GS kesselte er gleich nach dem Ende der Veranstaltung recht engagiert in die Dresdner Innenstadt – der nächste Übersetzungsjob stand an und womöglich ergibt sich aus dieser kleinen gemeinsamen Motorradtour noch mehr…