Politik, Musik und eine Andacht in einer Baptistenkirche prägen heute den Tag in Smolensk. Es geht um Kirchenpolitik. Unsere Gastgeberin heißt Olga Trautwein, ist Vorsitzende des Vorstands der kleinen evangelischen Gemeinde von Smolensk, Schriftstellerin und kann außerdem sehr gut singen. Aber das ist schon fast das Ende der Geschichte.
Olga hatte ein eng gestecktes Programm zusammengestellt, schließlich galt es heute, Druck zu machen bei den Behörden in Smolensk für die Rückgabe der evangelischen Kirche an die Gemeinde. Das kleine Kirchengebäude inmitten des Stadtzentrums ist derzeit zweckentfremdet, es ist das zu Hause eines Schachclubs. „Hier trainieren Kinder, Sportler, auch für Olympia“, sagte uns der Chef des Hauses und ließ keinen Zweifel daran, dass das aus seiner Sicht auch so bleiben könnte.
Doch ein noch relativ neues russisches Gesetz könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Laut diesem Gesetz müssen Gemeinden Kirchengebäude zurückbekommen, die ihnen vom Sowjetstaat abgenommen worden sind. Das gilt auch für die kleine Smolensker Kirche. Nur die Umsetzung dieses Gesetzes lässt zu wünschen übrig. Viele Dokumente werden gebraucht, schwerfällige Behörden in Moskau müssen entscheiden, Glasnost scheint ein Fremdwort zu sein. Wie das, was in der Kirche zur Zeit im Mittelpunkt steht, wirken die Bemühungen um das Gebäude: Ein Schachspiel. Man muss kombinieren, viele Züge voraus und auch mal um die Ecke denken. Auf diese Weise sind Olga Trautwein und ihre Mitstreiter heute ihrem Ziel ein Stück näher gekommen. Vladislav Kononov, Tourismus-Chef für die Region Smolensk, hat zugesagt, dass die evangelische Kirche in den nächsten Touristenstadtplan aufgenommen werden soll. Und im Festprogramm für den bevorstehenden 1150. Geburtstag der 350.000-Einwohner-Stadt soll die Gemeinde auch auftauchen. „Das war ein gesegneter Tag“, kommentierte Olga Trautwein dieses Ergebnis.
Sie selbst hat uns heute in der Kulturverwaltung mit einem Programm überrascht, bei dem vor allem viel gesungen wurde. In erster Linie in deutscher Sprache von ihr selbst und der 25-jährigen Yanina Orlova. Ganz nebenbei hat die Vorsitzende des Kirchenvorstands beim Abendessen gleich den nächsten Schachzug geplant. Eine Facebook-Seite soll her für die evangelische Gemeinde. Als Zeichen dafür, dass es die Gemeinde gibt und dass sie lebt. Danach sind dann wieder die Behörden am Zug…