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Herbstregen und viel Dreck

Völlig verdreckt an der Wolga – die Dragstar in Jaroslawl (zur Vergrößerung Bild anklicken).

Nein, sehr viel ekliger als die heutige kann eine Motorradtour kaum sein. Knapp 300 Kilometer Richtung Nordosten standen auf dem Fahrplan, von Moskau  nach Jaroslawl. Es ist geschafft, die Wolga ist nur einen Steinwurf weit entfernt vom schicken Ibis-Hotel der Stadt und das Motorrad „übernachtet“ zum ersten Mal seit Dresden in einer (Tief)Garage. Das hat es sich heute redlich verdient. Gleich zwei Kilometer nach dem Start wurde es heute richtig unangenehm. Knapp 50 Kilometer auf dem Moskauer Autobahnring im fünfspurigen Regenverkehr waren die erste Etappe. Dreck, Lkw-Gischt, Spurrillen – diese Kilometer waren eine echte Herausforderung. Dann wurde es etwas heller und in Richtung Nordosten sah es zeitweise sogar trocken aus. Doch weit getäuscht: Die „Autobahn“ M8 nach Jaroslawl präsentierte sich als dreispurige Trasse pro Fahrtrichtung – mit noch tieferen Spurrillen, noch mehr Dreck und sehr viel Verkehr. Es dauerte rund 100 Kilometer, bis es heute das erste Mal trocken war (sieht man mal von nassen Straßen ab). Geregnet hat es aber immer wieder und dabei wurde es nie wärmer als acht bis zehn Grad. Die Rukka-Kombi mit dem erstmals eingeknöpften Innenfutter hat sich (wieder) bewährt, die Daytona-Stiefel auch und an den Händen blieb es dank dicker Handschuhe und Regenüberziehern erträglich. Und der neue Evoline-Helm war ganz klar ein guter Kauf. Zugeklappt erfüllte er heute nicht nur seinen Zweck als Regenschutz sondern schützte auch vor der nassen Herbstkälte.

So ausstaffiert dauerte es inklusive zweier Kaffeepausen reichlich fünf Stunden, bis die Kilometer nach Jaroslawl erledigt waren. Hier – in der Wolgastadt, deren historisches Zentrum Weltkulturerbe ist – habe ich sehr schnell und ohne Probleme die evangelische Kirche wiedergefunden, in der Vikar Ivan Shirokov bereits auf mich gewartet hat. Stolz zeigte er mir die neue bereits beheizte Winterkirche, einen kleinen Zweckbau in einer Ecke des Kirchenschiffs, in der künftig die Gottesdienste in der kalten Jahreszeit stattfinden können. Schon jetzt ist es dort dank der neuen Fußbodenheizung angenehm warm. Das motiviert gewiss nicht nur den jungen Vikar…

Ivan Shirokov in seiner schon jetzt schön warmen Winterkirche.

Mittlerweile haben er und sein fleißiger Helfer Sergej, Russlanddeutscher aus Kasachstan, den Putz von den Innenwänden der gesamten Kirche abgetragen. Und eine wichtige Entscheidung ist gefallen. Entgegen der ursprünglichen Wünsche der Gemeinde wurde dank seiner Eindrücke aus Dresden entschieden: Der Innenraum der Kirche soll nicht nach historischem Vorbild wiederhergestellt werden sondern – etwa wie die Kreuzkirche in Dresden – auch künftig an die Geschichte des Baus erinnern. Einfache weiße Wandfarbe und ein schlichter gefliester Fußboden – dafür hat sich die Gemeinde entschieden. Vielleicht gelingt es mir, Ivan Shirokov noch davon zu überzeugen, dass gewisse „Wunden“ des Gebäudes erhalten bleiben sollten. Wie etwa die Reste russischer Zeitungen, die wohl in den 40er oder 50er Jahren als Farbtragschicht an die Wände gepappt wurden als die Kirche sowjetische Schule war. Die Zeitungsseiten stammen aus der „Pionerskaja Prawda“.

Vielleicht eine erhaltenswerte Erinnerung – Reste der „Pionerskaja Prawda“ an der Kirchenwand.

Ein Kommentar

  1. Sevensleeper Sevensleeper

    Hi,

    hoffentlich bekommt Vikar Ivan und seine Gemeinde diesen Kraftakt gestemmt. Grundsätzlich fände ich ein Stück historische Zeitungsbeklebung an der Kirchenwand auch überlegenswert und hilfreich für die Erinnerung der noch lebenden Generation.
    Das Mopped sieht mit dem blaß silbergrau eingebrannten Look an Motorblock und Auspuff übrigens aus wie neu designed. Solltest Du so lassen.;-) Das macht die Maschine einzigartig. Also, noch einzigartiger. Ich verabschiede mich morgen auch für eine Woche gen Skandinavien. Werde natürlich versuchen, zumindest weiter mitzulesen.
    Übrigens gab es fast auf den Tag genau vor zwei Jahren ein tragisches Unglück bei Jaroslawl: Am 7. September 2011 stürzte eine Jak 42 beim Start ab. Darin war beinahe die komplette Eishockeymannschaft des KHL-Klubs Lokomotive Jaroslawl. Bis auf einen Flugbegleiter starben alle. Darunter auch der ganz begnadete und sehr talentierte deutsche Nationalspieler Robert Dietrich. Danach hatte der damalige Präsident Medwedew eine Überprüfung und Modernisierung der russischen zivilen Luftfahrt angeordnet. Aber das nur nebenbei.
    Noch gute Fahrt und komm wieder gut heim!
    VG Falk

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