Dresden (fl.) Ich mag Kinderstühle. Keine Frage. Schließlich erfüllen sie einen wichtigen Zweck. Das tut auch die MT07, Yamahas kleine Ausgabe der MT09. Obwohl der erste Blick noch täuschte. Nach einem ausgiebigem Test der „09“, wollte ich unbedingt deren noch neuere kleine Schwester ausprobieren. Wie üblich stellte mir der Vertrauenshändler das Teil schon am Freitagnachmittag unkompliziert auf die Glacisstraße. Diesmal ohne „Christoph-Fahrvermerk“ im Vertrag. Der konnte nicht, sagte er. Optisch macht die Neuentwicklung der Yamaha-Schrauber sogar einen sportlicheren Eindruck als die „09“. Also aufsitzen! Aber was war das denn? Gefühlt musste ich mich zusammenfalten wie auf einem Kinderstuhl. Dazu ein echtes Leichtgewicht mit einem Zylinder und ganzen 40 PS weniger als bei der „09“. Kann ja heiter werden. Es wurde nicht heiter, es wurde heiß. Und zwar affenartig. Das ganze Wochenende.
Für einen echten Vergleich sollte am Sonnabend eine ganz ähnliche Strecke wie beim MT09-Test herhalten. Mit zwei Litern Schwitzwasser in der Kombi tourten wir gemütlich über Pirna nach Radeberg. Der obligatorische Stopp im Eisenbahnladen ließ ein Fundstück der DDR-Traditionsmarke PIKO den Besitzer wechseln und erzeugte durch den ungeschickt abgelegten Helm einen hässlichen Kratzer auf dem Mufu-Display der „07“. Mist! Weiter ging es über Königsbrück, Großenhain, Elsterwerda, Lauchhammer – ja, ich bin tatsächlich noch einmal hingefahren! – nach Senftenberg. Immer schön im Zickzack, die Blechlawinen der Bundesstraßen meidend. Die 698 Kubik in zwei Töpfen beschleunigten meine 100 Kilo Abtropfgewicht ausreichend zügig. Der rechte Daumen suchte zwar kurz nach dem Umschalter für den Sportmodus, blieb dann aber gelangweilt am Gasgriff. Die Sitzposition war nach kurzer Eingewöhnung völlig in Ordnung. Nur der Sattel blieb hart. Wie bei der Großen. Und auch der „07“ standen die Spiegel zu eng. Baugleich eben.
In Senftenberg gab es mehrere „Aha-Erlebnisse“. Zuerst tanken. Die Kleine begnügte sich im Schnitt mit etwa vier Litern. Das war gut. Es soll sogar noch auf unter drei gehen. Bei vernünftiger Fahrweise. Aha. Dann wartete die Sternen-Tanke mit einer Überraschung auf: Am Wochenende gibt’s dort für Biker Gratis-Kaffee. Klasse! Dazu erhielt ich ungefragt zwei kostenlose Visierputztücher. Auch Klasse! Dann schwammen wir zum Geierswalder See. Der halbfertige „Pier 1“ mit Leuchtturm-Restaurant im Probebetrieb deutete den Charme einer original Lausitzer Nordseelandschaft an. Ansonsten eine schöne Ecke. Drei kühle alkfreie Hefe flossen rein … und im Prinzip gleich wieder raus. Nachdem das Wasser aus den Stiefeln geschüttet war, ging es über Assi-Hoywoy, Lessing-Kamenz, Lebkuchen-Pulsnitz und Bier-Radeberg heimwärts. Die Maschine schlug sich ausgezeichnet. Nochmal zehn Kilo leichter als die „09“, gleicher Radstand, gute Beschleunigung. Auch bei Schaltfaulen. Mit Gang Nr. 4 ging von 60 bis 160 alles. Auch bei der MT07 gab es in niedrigen Drehzahlen keinerlei Hacken der Kette. Perfekt. Wer das kleine „ECO-Lämpchen“ permanent sehen möchte, darf allerdings nicht über 4.500 Drehungen touren. Doch genau ab dort macht’s Spaß. Dann kommen die knapp 80 PS bärenstark. Bis der Begrenzer einschreitet. Zum Abschluss der Fahrt habe ich noch einen von „Gottes verlassenen Orten“ entdeckt: Gut Gamig. Zwischen Dohna und Borthen gelegen, beherbergt das Schloss ein kleines Kaffee und der Hofladen bietet immer donnerstags regionale Produkte, Obst und Gemüse. Toll ist die etwas versteckte, aber schon komplett renovierte Kapelle. Ein echter Hingucker! Nach gut 350 Kilometern rollte die MT07 unter den Carport und der Fahrer unter die Brause. Auch gut: Trotz der Affenhitze kletterte das Digitalthermometer des Moppeds selbst im Stadtverkehr nie über 85 Grad!
Was der Sonnabend andeutete, setzte der Sonntag fort. Der Wetterheini im Fernsehen freute sich diebisch, für jeden Folgetag immer mehr Hitze anzusagen. Also wurde die Runde etwas kürzer geplant. Über Dipps ging es jetzt in die Berge, vorbei an der Talsperre Lehnmühle. Schöne Kurven. Rund um Liebstadt fehlt Asphalt. Wenn mal welcher da ist, wird er breitgeschmiert. So sah die Straße aus. Schlechte Pisten nimmt die „07“ gelassen. Aber nur, wenn man nicht zu schnell ist. Sonst springt sie mangels Gewichts wie eine Ziege. Und es fehlt die „upside-down“ Gabel! Weder eloxiert noch in natursilber. Sogar die kleine MT125 hat schon eine. Und die „09“ natürlich. Bleibt die Frage, ob das nicht ins ähnliche „07“er Konzept passte (Anmerkung von cs: Vielleicht eine Frage des Preises – spätestens dann, wenn die Controller mit dem Rotstift aus dem Wünschenswerten das Finanzierbare machen.). Auf besseren Straßen ging es Richtung Gasthaus „Zum singenden Wirt“. Das steht an der Talsperre Lichtenberg. Weil der Wirt nicht sang und die Kneipe keinen schönen Wasserblick bot, wurde das Mittagessen dort abgewählt. Dafür entschädigte ein besinnlicher und kühlender Kurzaufenthalt in der Kirche Frauenstein. Tolles Gotteshaus mitten auf dem Markt. Klar, wo auch sonst! Nach kleiner Orgelspende führte der Weg in Richtung Maltertalsperre. Knüppeldicke voll alles um den Tümpel. Einzig an der Eisbude gab es noch ein Plätzchen. Die „07“ parkte angriffslustig neben zwei kleinen verkleideten Kawas. Rein Optisch war die Yamaha für mich die Siegerin. „Angezogen“ oder „nacksch“, es bleibt immer Geschmackssache. Kurz vor zu Hause noch eine Schrecksekunde: der Asphaltreparaturstreifen im Lockwitzgrund war wegen der Hitze nicht weich, er war flüssig. So zuckte unerwartet erst das Hinterrad, dann der Hintern. Nach paar Zentimetern Rutschpartie war aber wieder alles im grünen Bereich.
Am letzten Tag stand noch eine Autobahnfahrt zum Knödelessen ins Böhmische an. Die A17 war frei und so bliesen wir nach Tschechien. Endlich bisschen Wind im Anzug. Auch am Helm. Wie schon die „09“ ist auch die Kleine kein wirklicher Autobahnfreund. Eventuell schafft das kleine optionale Windschildchen bisschen Entlastung. Beim „Lieblingsböhmen“ stand ein lange nicht mehr gesehenes Gimmick auf dem Tisch: Ein Sahnekännchen aus Porzellan! Im Zeitalter der Plastikportionierung mit Wegwerfgarantie ein echtes Highlight. Mit Knödeln im Bauch und Tschechen-Kippen auf dem Rücken rollten wir wieder talwärts. Diesmal rund um die Täler von Gottleuba und Müglitz. Einmal mehr bewährte sich die „07“ bei der Kurvenfahrt. Leicht abzuwinkeln. Das bisher einzige Zweirad seit Wiedereinstieg, auf dem ich mich getraut habe, ein Stück im Stehen zu fahren. Im ersten Gang natürlich! Abends gab es noch eine kleine Abschiedsrunde im Stadtverkehr. Die Zweitopf-Leistung reicht locker, um jedem Dosenfahrer an der Ampel die LED-Rücklichter zu zeigen. Mit einem Supersportler würde ich mich dagegen nicht anlegen. Dafür muss man die große Schwester rufen. Am Dienstag wechselten Zulassung und Zündschlüssel wieder den Besitzer. Wie es sich gehört, wurde dem Vertrauenshändler auch das Missgeschick angezeigt.
Fazit: Die MT07 macht Spaß. Mehr, als es der erste Eindruck vermittelte. Und das, obwohl sie so gar nicht dem Werbeslogan der Nippon-Schmiede entspricht. Dort sollen böse Jungs ihre dunkle Seite entdecken. Dafür war die Maschine viel zu gutmütig. Das Getriebe schaltet leicht, den Leerlauf findet man immer. Auch hier gibt’s die Ganganzeige serienmäßig. Die Bremsen sprechen gut an, für meinen Geschmack könnte die Hinterradbremse etwas zackiger zubeißen. Das ABS habe ich einmal zur Funktion überreden können. Ob man das braucht, muss jeder selbst entscheiden. Die Kraft des Zweizylinders reicht für kleine Rundfahrten gleichermaßen wie für den Stadtverkehr. Dabei ist sie ausgesprochen sparsam. Die Yamaha-Lackierer bieten gegenüber der „09“ eine Farbe mehr an, was die Auswahl allerdings nicht attraktiver macht. Die bei der Großen so vermisste Stufensitzbank gibt’s bei der „07“ ab Werk. Wegen der Leistungsunterschiede wäre es umgekehrt besser. Die Sitzposition war nur anfangs ungewohnt. Auf Dauer hart sind beide Bänke. Da muss es die Gelvariante für mehr Geld sein.
Über die beiden gut sortierten Krümmer kann man geteilter Meinung sein. Hübscher fand ich die verknoteten drei Rohre der „09“. Der Stummelauspuff bringt im unteren Bereich „sattes Klackern“ wie bei leistungsstarken 125-Kubik-Choppern. Da habe ich mich vor den „Erwachsenen“ schon bisschen geschämt! Erst bei Rotationen oberhalb der 5000er-Grenze kam hinten so etwas wie Sound raus. „Is normal für ne Zwozylinder“, meinte der Fachmann. Aha. 14 Liter Tankgröße, zu enge Spiegel, „Lämpchenblinker“ statt LED – alles wie bei der MT09. Echtes Manko ist die zur „09“ baugleiche Mufu-Anzeige direkt mittig auf dem Lenker. Da hatte der Konstrukteur aus Nippon wohl montags ein Schälchen saurer Sake erwischt. Erstens verhindert die Anzeige das Anbringen des optionalen Tankrucksacks. Zweitens ist das kratzanfällige Display dort gar nicht gut aufgehoben. Bei der „09“ ist das Display wesentlich besser rechts vor dem Lenker montiert. Damit bleibt Platz für eine Navihalterung und auch der Helm passt. Meine Empfehlung: Wer die zwei Scheine übrig hat und auch mal Gas geben möchte, dem sei eindeutig zur „09“ geraten. Dennoch bekommt die „07“ von mir eine klare Kaufempfehlung. Preiswerter, sparsamer und hübscher. Allerdings muss man sich mit knapp 80 Pferdestärken begnügen und braucht auf Dauer eine Gelsitzbank sowie besseren Sound. Habe ich der „09“ im Kochduell noch sechs Mützen verpasst, würde ich der „07“ lediglich eine für das schlecht platzierte Display und den Sound abziehen. Sonst war die Kiste topp. Daumen hoch!
- Dem fleißigen Tester herzlichen Dank für diesen schönen Bericht. Die MT07 ist also doch mehr Feuerstuhl als Kinderstuhl. Eine Anmerkung sei noch erlaubt: Es gibt auch Zweizylinder, die keine Chopper sind und ab Werk dauergeil klingen. Ein gutes Beispiel: MZ 1000 SF.
Schöner Bericht. Es soll auch gut klingende Zweizylinder in rot geben, hab ich gehört.
Schüsselschraubensound.
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