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Harley-Show around the clock

Ganz in schwarz bei 30 Grad: Der coole Auftritt ist wichtiger als das Wohlbefinden.

Tampa (cs). Eigentlich müssten Motorradfahrer bezahlt werden in Ybor-City. Denn ihr Auftritt auf der 7th Avenue gehört zum Touristenprogamm wie die dort angesiedelten Kneipen, die Klamottenläden, Kinos, Theater und Nachtclubs. Genüsslich kesseln vor allem Harleytreiber mit ohrenbetäubendem Gedröhn durch die enge Straße. Dabei lassen sie sich bereitwillig fotografieren. Nur nicht die Fassung verlieren, lautet ihre Devise. Auch das Abparken muss möglichst cool erfolgen. Harley-Show around the clock.

Motorradtreff vorm Zigarrenladen: Die Biker sitzen gelassen im Hintergrund, trinken Kaffee und beobachten die Touristen.

BeitragsyborMister Vicente Martinez-Ybor (links ein Bronzedenkmal) war ein kluger Mann. Der gebürtige Spanier lebte lange in Kuba und produzierte dort Zigarren mit dem klangvollen Markennamen „El Principe de Gales“ (Prince of Wales). 1869 musste er Kuba verlassen – Key West war sein nächter Wirkungsort, bevor er 1885 bei Tampa Land kaufte und dort eine weitere Zigarrenfabrikation eröffnete. Die neue Siedlung wurde eine Stadt, wie er sie mochte – mit eindeutig kubanischem Flair bis heute. Sie trägt seinen Namen und es gibt noch immer viele kleine Zigarrenmanufakturen. Davon gibt es zur Zeit etwa eine geschätzte Hand voll (und ich habe heute kurz bedauert, nicht mehr zu rauchen). In Ybor – das so etwas wie das Szeneviertel von Tampa ist – werden also Zigarren gedreht, vor allem von Kubanern, und ringsum ist ein Vernügungsviertel entstanden, das vom spanisch-kubanischen Flair lebt. Und zu dem eben auch die Showfahrten der Harleytreiber gehören.

Das Zigarrendrehen sieht nicht nur interessant aus, dabei riecht es auch noch gut.

Die Tour nach Tampa-Ybor war nicht ganz einfach, denn das Interstate- und Highway-Gewickel am Westend von Tampa hätte mich leicht in die Irre führen können. Glücklicherweise habe ich instinktiv die richtige Ausfahrt gewählt (und mir zwischendurch mein Navi am Harley-Lenker gewünscht). So war das Viertel schnell gefunden – übrigens auch dank einer alten Straßenbahnlinie, die heute vor allem Touristen für den Weg vom Zentrum von Tampa ins nicht weit entfernte Ybor nutzen und der ich gut folgen konnte.

Wie schon in Key West zeigte sich heute auch in Ybor-City – nicht weit weg von den Touristenströmen sieht es mitunter übel aus. Leer stehende Häuser habe ich in Key West nur einen Steinwurf entfernt von bekannten Museen gefunden, unter den Vordächern schliefen Obdachlose. Und wäre ich nicht mit dem Motorrad unterwegs gewesen, wäre auch ich nie in diese Straßen gekommen. Genau so in Ybor: Nur zwei, drei Querstraßen entfernt von den Touristenströmen leben (zumeist schwarze) Amerikaner in sehr einfachen und oft nicht sonderlich gepflegten „Einfamilienhäusern“. Viel Geld und kein Geld – das liegt hier dicht beieinander. Dichter noch als in Städten, die ich zuvor kennengelernt habe. Dichter also als in Kiew und Odessa, Moskau und St. Petersburg.

Die Zigarrendreher von Tabanero Cigars (www.TabaneroCigars.com) ließen sich gern fotografieren. Sie erhoffen sich davon neue Kundschaft.