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Wiederaufführung nach rund 300 Jahren

Seit vier Jahren steht ein dickes Notenbuch im Regal. Es sind geliehene Noten, die eigentlich längst zurückgegeben sein sollten. Nun steht dieser Zeitpunkt kurz bevor.

Finale in der Dresdner Nazarethkirche: Das Ensemble cum passione bei einer Künstel-Probe im März 2023. Foto: Ensemble cum passione

Bis zuletzt hatte uns Corona im Griff. Erst gestern kam die jüngste Entwarnungsmeldung – eine Sängerin hat ihre einwöchige Corona-Erkrankung überstanden und kann nun mit dabei sein, wenn heute das Finale ansteht für das Dresdner Ensemble cum passione und die Markuspassion von Johann Georg Künstel. Wir bringen die Musik des Komponisten, der lange in Coburg/Franken gelebt und gearbeitet hat, wieder an seine Wirkungsstätte – eine Wiederaufführung in Coburg nach rund 300 Jahren. Eigentlich wollten wir das schon viel früher, doch dann machte uns Corona mehrfach einen Strich durch die Rechnung.

Das Werk, geschrieben für vier Gottesdienste am Gründonnerstag und am Karfreitag, wurde per Zufall wiedergefunden, wissenschaftlich bearbeitet und schließlich vom Ortus-Verlag in gedruckten Noten herausgebracht. Aus genau diesen Noten singen wir es nun – zum zweiten Mal in einem Konzert.

Es ist ist ein Mammutwerk. Entstanden im 17. Jahrhundert umfasst es vier große Teile und beschreibt den Leidensweg Jesu Christi – ähnlich, wie spätere Passionen, etwa die von Johann Sebastian Bach. Wir führen es in einem Stück auf, leicht gekürzt, aber immer noch rund zwei Stunden lang. Sechs Instrumentalisten wirken mit, der Dirigent spielt zugleich die Orgel, wie es auch zu Künstels Zeiten war. Der Chor stellt das Volk dar, das das Geschehen vorantreibt und kommentiert.

Nicht allein die zwei Stunden Musik in Coburg verlangten jede Menge Vorbereitung – allein in den letzten vier Wochen drei Probenwochenenden. Dazu kamen die Reiseorganisation, die Organisation der Übernachtung vor Ort, Werbung in und um Coburg herum, eine gesicherte Finanzierung… Wir sind froh und auch ein wenig stolz. Nun ist es endlich so weit…

Dieser Gedanke stimmt aber auch etwas wehmütig. Sollten wir den Künstel nach dem morgigen Konzert ad acta legen – nachdem wir ihn nun wirklich zu unserem Repertoire zählen können? Nichts ist für immer, aber das Konzert heute ganz sicher für immer ein gewaltiger Höhepunkt in der Geschichte von cum passione. Dresden/csp