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Fahrt ins Blaue

Zwischenstop im wilden Wald - Bild anklicken zum Vergroessern.

Heftiger Wind am Morgen. Klirrend fliegt der Aschenbecher eine Etage weiter oben vom Balkontisch auf den Kachelfussboden, am Lift im Flur reisst der Wind einen gerahmten Hotelplan von der Wand, Blätter wehen durch die halboffenen Flure, draußen biegen sich die Palmen und von einem nahen Parkplatz reiben riesige Staubfahnen über das Einkaufszentrum. Es ist warm, aber ob das Wetter passt für einen Anfänger auf der schweren GS?

Es passt, soviel sei bereits an dieser Stelle verraten. Die Sorge über unberechenbare Windböen wird ersetzt durch den Gedanken an den Preis für das Motorradvergnügen. Und der lässt eigentlich keine Wahl – rauf auf den Bock, zumindest für eine Fahrt ins Blaue. Auf die Motorradhose wird verzichtet, die Jeans tut es bei einer Kurztour ja auch.

Die Reise führt zunächst auf der Autobahn nach Norden und der erste Halt wird durch die Tankanzeige des Motorrads erzwungen. Sprit fassen. Zu dumm, dass beim Zahlen das Gedächtnis streikt und deshalb auch beim zweiten Versuch nicht die richtige Geheimzahl ins Kartenlesegerät getippt werden kann. Dank Visa ist das kein Problem und via Handy wird später die Bank um Rat gefragt. Auch hier ein Hinweis vorab – die Bemühungen der Angestellten waren unnötig, später ist die richtige Pin-Nummer wieder aus den Gedächtnistiefen aufgetaucht. Übrigens – der Tankwart konnte sich kaum sattsehen an der bayrischen Technik …

Trotz Pinsorgen geht die Tour weiter. Es mag Leichtsinn sein oder Übermut – jedenfalls wende ich die schwere Boxermaschine nach gerade mal 20 Kilometern bergwärts nach La Concepcion. Je höher die Strassennummern auf Teneriffa, um so mehr Abenteuer – diese Regel gilt auch hier. Das kleine Sträßchen mit vierstelligem Zahlennamen windet sich ohne jegliche Begrenzung steil bergan, der Wind packt mich samt Maschine heftig in den engen Kurven, das Adrenalineimerchen läuft ständig über. In La Concepcion frage ich mich, was das eigentlich soll – und beschließe dennoch, weiterzufahren. Ene sehr gute Entscheidung, stellt sich kurz darauf heraus – die Ministraße führt durch ein enges Tal – kein Bus hätte hier Platz. Der Wind pfeift in den Felsen, Kakteen wachsen neben der Straße – hier muss der Wilde Westen (Teneriffas) sein. Bergabwärts belohnt kurz darauf eine deutlich breitere Asphaltbahn für den Motorradfahrermut.

Nordwärts führt die „Fahrt ins Blaue“ über Guia de Isora weiter bis Santiago del Teide. Nur ein kurzer Abstecher soll es werden in den kleinen Ort – die hübsche Kirche muss noch warten auf einen Besuch. Nun geht es hoch über dem Atlantik zurück nach Nordosten bis Cho und dort hinauf auf den Teide.

Warum eigentlich gibt es diese Straße mit der Bezeichnung TF 38? Für Motorradfahrer ist sie nicht gebaut, lange gerade Abschnitte führen durch den Bergwald in etwa 1300 Meter Hoehe (und damit schon deutlich über dem Niveau des Erzgebirgskamms). Wüste Gesteinsformationen prägen die Landschaft, darauf wachsen kanarische Kiefern. Weiter oben ist nur noch Lavawüste – und heftiger Seitenwind.

Zurück führt die Strecke wieder durch Vilaflor. Diesem Ort muss ganz sicher ein eigenes Kapitel gewidmet werden. Das gilt wohl auch für den Besuch auf dem Gipfel des Teide, für die Felsen mit dem Namen Los Gigantes, vielleicht auch für die Tour in den Nordostzipfel der Insel. Weil aber Urlaub auch Urlaub bedeutet und mancher Geheimtipp der derzeit nicht vorhandenen Sozia vorbehalten sein soll, halte ich mich demnächst etwas mehr zurück mit der Beschreibung meiner Teneriffatouren.

  • Streckenlänge 150 Kilometer; Fahrtdauer drei bis vier Stunden; die Route führt zunächst auf der TF 82 nach Norden, dann auf die TF 5125 (lt. Garmin-Navi, auf der Landkarte heisst sie TF 585) und zurück zur TF 82, weiter bis Chio und kurz danach auf die TF 375 nach Santiago del Teide, wieder zurück bis Chio auf der TF 82, dann zum Teide auf der TF 38 und heimwärts auf der TF 21; Tankstellen finden sich vor allem an der TF 82; für einen Kaffee oder auch mehr empfiehlt sich eine kleine Bar an der TF 375, etwa zwei Kilometer vor Santiago del Teide – sie heißt „Casa Sierra“, liegt hinter einem eigenen Parkplatz am Rand der Strasse und man sitzt gleich neben dem Motorrad – 1,50 Euro kostet dort die Tasse Kaffee.

4 Comments

  1. Hey Urlauber, E.McGregor und Ch.Boorman sind, trotz anfänglicher Vorurteile gg. ein „plumpes Küchenmädchen“, begeistert von der BMW GS und kämpften sich wacker mit ihr durch die Welt (inkl. zigfach-erprobter Absprünge, ganztägiger Bewässserung oder köchelnder Sandstürme): wünsche Dir geschmeidiges Handling, beste Aussichten + begeisterte Einsichten sowie „NO Hals-und Rahmenbruch“, gewürzt mit vielen imaginären Begeisterungs-Wheelies mit oder ohne Sozia! Gute Erholung wünscht Dir die motorrad-legasthenische Talbewohnerin 😉

  2. Hei Christoph,
    es macht riesig Spass an deinen Motorradtouren teilnehmen zu können! Wenn die Teilnahme auch nur mit Lesen deiner Tagesberichte die daheimgebliebene Fangemeinde beglückt!
    Vielen Vielen Dank und du kannst dir sicher sein; du wirst von vielen Menschen virtuell begleitet!
    Ich wünsche dir noch viele freudige Momente und Genuss!
    Erfreute Grüße von Sabine

  3. Hi Zarter,

    die sensationellen Berichte der Tour lesen sich runter wie geschmiert. Schön zu hören, dass du vorübergehend eine neue, folgsame und anschmiegsame Liebe auf zwei Rädern gefunden hast. Dein Zschopauer Presseisen wirds verschmerzen und tröstet sich derweil wahrscheinlich mit einer leichten Korrosion. Aber vielleicht kümmert sich Kronprinz Jan ja um das schlafende Dornröschen.
    Ich wünsche dir noch ein paar abenteurliche Fahrten, bestes Wetter und tolle Kurven. Letzeres in jeglicher Hinsicht.
    Demenzfreie PIN-Benutzung und herzliche Grüße in die Sonne

    Falk
    Bitte noch mehr Berichte!

  4. Ich hoffe doch, dass Jan sich um die Böse wie um die Gute kümmern wird. Wobei ich sicher bin, dass letztere so was wie Eifersucht nicht kennt, die Zschopauer Zicke dagegen könnte dir den Ausflug mit der Gummikuh noch eine Weile nachtragen. Hoffentlich nicht wieder im Neujahrs-Schnee.
    Ich lese deine Reiseberichte sehr gern, hab sie auch an den Kollegen geschickt, der derzeit durch eine weitere OP an einen BMW-Crash erinnert wird, für den das Motorrad am wenigsten konnte. So gesehen hab ich tausendprozentiges Vertrauen auf die Miet-Maschine, 99.9(du weißt warum)prozentiges auf dich und ungefähr 40 Prozent auf den restlichen Inselverkehr, die du hoffentlich ausgleichen kannst.
    Freue mich auf weitere Insel-Eindrücke und gelegentlich ein paar mehr Fotos, mit und ohne Kurven im Falk’schen Sinn. Bis dahin, sg

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