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Zwischen Weiberzorn und Untreusee

Wir fahren überhaupt alle viel zu wenig Motorrad. Deshalb widme ich den ersten Urlaub bei der Sächsischen Zeitung diesem sehr vergnüglichen Hobby.

Die Mauer. In Mödlareuth steht noch ein Stück des Originals – direkt am Tannbach.

Das Wetter hätte nicht besser sein können. In Dresden. Am Ziel wars nicht ganz so schön, aber eingeregnet bin ich nicht. Das ist schon mal sehr gut. Mehr als 20 Grad in der Sonne und strahlend blauer Himmel am 3. Mai – besser kann eine Motorradtour kaum anfangen. Das Ziel ist im Südwesten – Fichtelgebirge oder Fränkische Schweiz sollen es werden, je nach Lust und Laune. Zwischenziel ist Mödlareuth im Vogtland mit seinem „Museum zur Geschichte der deutschen Teilung“. Gleich zu Beginn der Hinweis – dieses wirkte auf mich bedrückend. Mitten durch das Dorf ging die Grenze, mit einer Mauer wie in Berlin. Nirgends ist die Wirkung dieser Teilung wohl besser nachzuerleben, als in diesem eigentlich verschlafenen Ort.

Das Navi steht auf „Kurvenreiche Strecke“. Es führt von Dresden zunächst durch den Tharandter Wald und später ab Naundorf auf der B173 nach Freiberg. Von dort geht es auf direktem Weg weiter nach Chemnitz – die Bundesstraße ist keine schlechte Wahl, wenn man ein wenig Strecke machen will. In Ex-KM-Stadt habe ich das Auktionshaus Vonau angesteuert, um Freunde zu besuchen. Da bin ich eher selten und schon gar nicht mit dem Motorrad. Halbvertrocknet muss ich ausgesehen haben, die freundlichen Kollegen spendierten mir glatt ein Wasser. Nach einer knappen halben Stunde Fachsimpelei über MZ, ETZ und TS nahm ich mir den Routenvorschlag der Erzgebirgskenner aus Chemnitz zu Herzen.

Uwe G. wäre gern mitgekommen. Ging leider nicht. Übrigens lass ich mich nie wieder im Profil fotografieren.

Es ging also nicht direkt weiter Richtung Südwesten, sondern erst mal rauf nach Annaberg-Buchholz. Das Navi lotste zuverlässig durch Einsiedel zum Krokuswiesendorf Drebach – die Wiesen waren da, der Jahreszeit entsprechend aber keine Krokusse. Im Zschopautal bin ich dann auf die B101 abgebogen und habe auf schnellstem Weg Annaberg-Buchholz angesteuert. In Elterlein habe ich die Bundesstraße wieder verlassen und bin Richtung Aue gefahren und dort den Wegweisern nach Klingenthal gefolgt. Rechts grüßt die Talsperre Eibenstock, dann ging es auf fast leerer Straße immer an der Zwickauer Mulde entlang bis zum Kosmonautendorf Morgenröthe-Rautenkranz. Volles Rohr – nur ein eigenartiges Geräusch am hinteren Huf der Dragstar machte mich etwas unruhig. Woher es kommt, weiß ich immer noch nicht.

Kurz vor Annaberg gehts am Frohnauer Hammer vorbei. Der Hammer neben der Dragstar ist allerdings schon ein Dampfhammer.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ein bisschen zu langsam war für die angepeilten 300 Kilometer. Außerdem drohten dunkle Wolken über dem Vogtland. Regen war angesagt vom Wetterdienst. Ich hielt mich deshalb nicht auf und gab mir nun Mühe, etwas zügiger nach Mödlareuth zu gelangen. Die Strecke führte zunächst nach Schöneck. Eine Bockwurst und ein paar Kekse gabs dort am Nachmittag als Mittagessen. Dabei fiel ein Hinweisschild auf – zum Gasthaus Weiberzorn. Nix wie weg! Je näher ich dem ehemaligen Grenzort kam, um so schmaler wurden die Straßen. Klar, das hier war mal so etwas wie Niemandsland, jedenfalls Sperrgebiet. Nix für den großen Reiseverkehr.

Nur weiter – am besten in die Gegenrichtung.

Mödlareuth kannte ich schon vorher. Aus dem Fernsehen. Vom Film „Tannbach – Schicksal eines Dorfes“. Das Örtchen am Tannbach hat vermutlich weniger als 50 Einwohner. Mitten hindurch ging früher die deutsch-deutsche Grenze. Mit Mauer, Zaun, Wachtürmen und dem, was heute als Todesstreifen bekannt ist. Der Ort muss unheimlich gelitten haben unter der Teilung. Ganz einfach, weil damit beide Ortsteile am Ende der Welt lagen. Vor allem aber, weil Familien und Freundschaften, Nachbarschaftsbeziehungen, Arbeitsgemeinschaften und gewachsene Gemeindeverbindungen zerhackt wurden. Mauer und Zaun, Todesstreifen und Fahrzeugsperren gibt es heute noch. Die Mödlareuther wollten es so und deshalb ist das Grenzmuseum entstanden. Sehenswert durchaus, aber keine leichte Kost. Es passte dazu, dass es ausgerechnet dort nieselte – der einzige Regen des gesamten Tags.

Etwa da, wo das Motorrad steht, war die Grenzmauer. Dies war der Blick in Richtung DDR.

Kurz nach 17 Uhr war es, als ich mich wieder aufs Motorrad gesetzt habe. Höchste Zeit, ein Nachtquartier zu suchen. Spätestens im zehn Kilometer entfernten Hof würde ich fündig werden, war ich mir sicher. Traf fast zu. Die Hotels im Ort waren aber ausgebucht. Nächstes potenzielle Bleibe auf dem Weg Richtung Fichtelgebirge war das Hotel Am Untreusee. Offiziell gehört der künstliche Stausee noch zu Hof. Weshalb er Untreusee heißt? Das schreibe ich morgen auf. Passt doch aber gut zur Weiberwut in Schöneck. Nach etwa 270 Kilometern habe ich das Motorrad direkt vor meinem Hotelzimmer abgestellt.  Hof/csp