Keine Lust auf Osten und keine auf den Westen. Und keine Zeit für den Süden. Was bleibt? Der Norden: Und auch das gibt eine schöne Motorradtour.
Das Navi steht beim Start in Dresden auf „kürzeste Strecke“ und „Autobahnen vermeiden“. Das könnte daneben gehen, aber die Option „kurvenreiche Strecke“ ist grad keine gute Wahl. Denn der Wetterbericht kündigt von Westen kommenden Regen an. Also fahre ich zwar über Land, aber doch recht zügig von Dresden nach Halle. Da war ich noch nie und mal in die Stadt rein muss schon sein. Über Meißen, an Riesa vorbei, durch Oschatz und bis kurz hinter Wurzen wäre das elektronische Helferlein eigentlich überflüssig. Schließlich bleibe ich immer auf der B6 und kenne die Strecke schon von der Sachsenbike-Heimkinderausfahrt 2016, die nach Nordwestsachsen führte. Dann führt die B107 schön bis Delitzsch und von dort die S4 nach Westen. Das Wetter bleibt mir bis hinein nach Halle gewogen. 158 Kilometer sind es auf dieser Strecke von Dresden bis ins Zentrum der Saalestadt. Die paar Laster, die auf den Bundesstraße gestört haben, konnte ich schnell hinter mir lassen.
Aber der Himmel zieht sich zu und die erste nasse Straße habe ich bereits hinter mir gelassen, als ich in Halle beim Cappuccino sitze. Immerhin: der stürmische Wind ist weg. Ich halte mich besser nicht lange auf, das nächste Ziel ist Magdeburg, knapp 90 Kilometer sind es jetzt bis dorthin. Dabei kreuze ich immer wieder die A14, fahre durch Bernburg und an Staßfurt vorbei. Eigenartig zersiedelt ist diese Landschaft, schnurgerade Landstraße knicken plötzlich im rechten Winkel ab, um wenige Kilometer später wieder 90 Grad nach links zu führen. Immer um riesige Fabriken herum und letztlich quer durch Bernburg. Aus der Ferne ein hübsches Städtchen. Für mehr war keine Zeit.
In Magdeburg führt die Tour an einem Flughafen vorbei, der noch kleiner ist, als der Dresdner. Hier haben sie sich ein Flugzeug hingestellt – wohl, damit überhaupt eins da ist. Der Tankstopp verrät, dass die Dragstar bisher knapp fünf Liter auf 100 Kilometern genommen hat. Und die Sonne scheint wieder.
Jetzt ist Meseberg das nächste Ziel. Es ist das Tagesziel. Ein kleines Dorf bei Wolmirstedt, nur knapp 30 Kilometer sind es noch bis dorthin. Die Strecke ist spektakulär, schließlich führt sie mitten durch die Elbestadt und dann unter dem Mittellandkanal hindurch. Diese künstliche Wasserstraße ist mehr als 300 Kilometer lang und verbindet Rhein, Elbe und Oder. Bei Magdeburg führt sie hoch auf einem Damm durch die Landschaft. Straßen und Schienen führen darunter durch Tunnel. Dieses technische Wunderwerk ist einen Stopp wert.
Danach erreiche ich in wenigen Minuten das Dörfchen Meseberg an der Ohre. Es muss in den 70ern gewesen sein, dass ich das letzte Mal dort war. Ferne Verwandte hatten dort einen Bauernhof, es gab Schweine, Hühner, ein oder zwei Kühe sogar und einen großen Misthaufen in der Hofmitte, auf der regelmäßig der Hahn krähte. Das große Hoftor mit dem Bogen darüber stand in meiner Erinnerung immer offen und ein netter alter Mann, dessen Namen ich nicht mehr weiß, führte uns Kinder immer zum Fröschesuchen an den Fluss.
Das Tor war dieses Mal zu und auf mein Klingeln hat niemand reagiert. Dennoch wachten die Erinnerungen an diese schöne Zeit auf. Nur die Ohre – die war viel größer, als ich sie in Erinnerung hatte.
Nicht weit von Meseberg endete dieser erste Tourtag in einem Hotel mit einer schönen Mühle daneben. Das knarzen des Holzbaus, während sich die großen hölzernen Flügel im Wind drehten, war ein schöner Tagesabschluss. Wolmirstedt/csp
- Die Tour war heute knapp 300 Kilometer lang und der Regen kam erst, nachdem das Motorrad abgestellt war.