Moped / Motorrad

Mit dem Motorrad auf Kindheitsspuren IX

Ein Tag Motorradpause in Świnoujście (Swinemünde) und der Abschied von der Ostsee leiten das Ende dieser Tour ein. Inzwischen habe ich auch Polen verlassen.

Abendstimmung am Strand von Swinemünde. Im Hintergrund fährt eine Fähre in den Hafen.
Diese Pension in Swinemünde ist wirklich empfehlenswert.

Das Quartier am Ostseestrand ist eine sehr hübsche Pension, direkt an der Straße hinter den Dünen. 200 Meter Fußweg sind es bis zu den Läden, Restaurants und Cafes, die im Hochsommer tausende Touristen anziehen. Obwohl die Saison zu Ende geht, sind noch viele da – vor allem Senioren aus Deutschland. Die Stadt liegt auf mehreren Inseln und ist schon allein deshalb sehenswert. Als Hauptattraktionen werden unter anderem zwei Festungen angepriesen, die gebaut wurden, um den Ostseehafen zu schützen. Die Westbatterie habe ich mir angesehen. Sie wurde im 19. Jahrhundert als preußische Verteidigungsanlage gebaut. Später haben sie die Nazis und danach die Russen genutzt und mehrfach umgebaut. Überall hängen Schilder und Bilder, auf denen man lesen und sehen kann, was für Kanonen dort standen, wohin und wie weit sie schießen konnten. Kein Ort für erbauliche Erholung – eher ein schauerlicher Beweis dafür, wie viel Einfallsreichtum und Entwicklergeist Menschen aufbringen können, wenn es darum geht, sich gegenseitig umzubringen.

Die Geschützstellungen auf der Westbatterie sind noch deutlich zu erkennen. Im Hintergrund die Hafeneinfahrt.
Dieser Reiher ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

Der Wassergraben um die Batterie, früher Schutz gegen potenzielle Angreifer, ist heute ein ganz und gar friedlicher Ort. Ein Entenschlaraffenland. Das Wasser ist kaum zu sehen, Entengrütze bedeckt nahezu die gesamte Fläche, dazwischen schwimmen Enten, die sich nach Herzenslust sattessen. Auch einen Reiher habe ich gesehen – selbst er ließ sich nicht von mir stören.

Bei einer kleinen Rundfahrt durch den Hafen habe ich Swinemünde vom Wasser aus erlebt. Bis zur sogenannten Kaiserfahrt ging die Tour. Das ist ein künstlicher Kanal ins Stettiner Haff, durch den auch große Frachtschiffe fahren können. Auf der anderen Seite, an der Hafenausfahrt zur Ostsee, führte die Tour vorbei am Leuchtturm der Stadt. Er ist 68 Meter hoch und damit der höchste Leuchtturm an der Ostsee, berichtete der Guide, der in deutscher Sprache die wichtigsten Sehenswürdigkeiten erklärte.

Der Abschied von der See fing heute mit einer Überraschung an. Die Fähre in Swinemünde, die das Stadtzentrum mit der Insel Wolin verbindet, dürfen nur Bewohner der Stadt benutzen. Vor ein paar Jahren bin ich da schon mal mit dem Motorrad mitgefahren. Ob damals andere Regeln galten, weiß ich nicht mehr. Die Fähre für alle, auch für Lkws, befindet sich etwa fünf Kilometer landeinwärts. Und – noch eine Überraschung – die Benutzung ist kostenlos.

Auf der Fähre zur Insel Wolin.
Auf der Fähre zur Insel Wolin.

Die Strecke führte heute erst einmal knapp 60 Kilometer Richtung Osten – die längste Zeit auf einer tollen Asphaltstraße durch den Wald an der Küste. Dort waren nur wenige Autos unterwegs, man konnte die Kurven und kleinen Hügel toll ausfahren. Nur ein (deutscher) Sonntagsfahrer hat gestört – am Donnerstag! Ich habe das Problem trotz des Doppelstrichs in der Straßenmitte unkonventionell gelöst. Ab Dziwnówek am Ostende der Insel Wolin ging es heute nach Süden. Der kleiner Ort war der östlichste Punkt meiner Reise und wirkte unter dunklen Wolken und mit vielen geschlossenen (Saison)Geschäften und -Restaurants eher bedrückend.

Am östlichsten Punkt dieser Reise fließt die Dziwna in die Ostsee.

Dem Regen bin ich erfolgreich entflohen, dafür musste ich aber ein ganzes Stück auf der „107“ nach Süden flüchten. Die Straße ist ausgebaut wie eine Bundesstraße, schnell habe ich die dunklen Wolken hinter mir gelassen. Als ich mir sicher war, dem üblen Wetter entkommen zu sein, bin ich wieder dem Navi gefolgt – „kurvenreiche Strecke“. Im Nu war ich in irgendwelchen Wäldern, zwischen weiten Feldern, keine Autos mehr und – leider – ziemlich schlechte Straßen. So ging das kilometerweit, bis plötzlich ein Zug im Weg stand. Mitten auf der Straße, an einem unbeschrankten Bahnübergang. Es handelte sich um einen Bauzug und mehrere Kollegen waren gerade damit beschäftigt aus einem Auto auf der anderen Seite des Bahnübergangs Sprit in mehrere Kanister zu pumpen, die in einem alten Güterwagen standen. Zehn Minuten Fahrpause. Dann setzte sich der Zug mit lautem Hupen in Bewegung und machte die Straße frei.

Stettin habe ich komplett mitgenommen – den Blick auf die historische Stadt wollte ich mir leisten – ohne anzuhalten. Danach ging es auf der polnischen Seite der Oder weiter bis Gryfino und schließlich bis zum Grenzübergang bei Schwedt. Auch dort war nur sehr wenig Verkehr, Zeit um Kilometer zu fressen.

Tankstopp – nicht für das Motorrad, für den Zug.

Das Ziel heute war Angermünde – eine kleine Stadt in der Uckermark, die sich mächtig verändert hat. Das schmucke Stadtzentrum ist wirklich sehenswert – ich kenne es noch in anderem Zustand. Hier ist meine Tochter geboren (nun gut, genau genommen im Krankenhaus in Schwedt). Grund genug, den Tag hier zu beenden. Angermünde/csp

  • Die Tour heute war 265 Kilometer lang.
Über diese Brücke geht es zurück nach Deutschland. Auf der anderen Seite liegt die Stadt Schwedt.