Moped / Motorrad

Mit dem Motorrad auf Kindheitsspuren VI

Die Halbinsel Zingst kann man eigentlich nebenbei mit dem Motorrad erobern. Sie ist nicht sehr groß. Für mich reicht das aber nicht, denn hier gibt es einen ganz besonderen Strand.

Zeesenbootromantik am Hafen Althagen.

Ahrenshoop, Prerow, Zingst – kaum ein Ossi wird diese Orte nicht kennen. Sie waren stets Traumziele für den Sommerurlaub. Ahrenshoop der Künstler wegen, die sich da angesiedelt hatten. Prerow und Zingst, weil sie pures Strandvergnügen versprachen. Um das alles wiederzusehen, bin ich heute zur 73 Kilometer mit dem Motorrad gefahren – von Wustrow bis Zingst und zurück mit viele kleinen Stopps.

Die Wolken, die am Morgen noch den Blick auf die Sonne versperren, lichten sich langsam und versprechen den bisher schönsten Tag dieser Tour. Der erste Halt ist schon nach drei Kilometern nötig. Ein Werbeband über einer Straße kündet von der Fischerregatta in Althagen. Jetzt erklären sich die vielen roten Segel, die ich am Abend zuvor bei der Zimmersuche hinter einem hügeligen Feld ziehen sah. Die Fischerboote, sogenannte Zeesen, haben sich tags zuvor in Althagen getroffen, um ein Wettrennen zu veranstalten. Sie liegen noch im Hafen, einige setzen die roten Segel, um nach Hause zu fahren. Romantisch und herrlich langsam.

Ahrenshoop kenne ich nicht gut genug, um dort zu halten. Eine Freundin hat mir zwar ein Cafe und eine Galerie empfohlen, aber Kaffee getrunken hatte ich gerade erst beim Frühstück in einer Wustrower Bäckerei und mich interessieren heute doch mehr Straßen und Schiffe als Gemälde und Skulpturen. Die Strecke führt durch Born und Wieck, kleine Orte mit malerischen Häfen, in denen auch immer Zeesenboote liegen und Mitfahrten angeboten werden.

Am Westrand, den die vom Wind geformten Bäume prägen.

Wichtigstes Ziel dieses Tages ist aber Prerow mit seinem wilden Weststrand. Dort habe ich viele Urlaubstage erlebt. Um dorthin zu gelangen, musste ich das motorisierte Zweirad gegen eines mit Muskelkraftantrieb tauschen. Für sechs Euro gibts ein passables Herrenrad und wie damals fahre ich durch den dichten Wald, in dem wir als Kinder hinter jeder Wegbiegung schon meinten, das Rauschen der Wellen am Strand zu führen. Die Strecke schien uns immer zu lang, vor allem der Rückweg, bei dem uns oft die Mücken quälten. Dieses Mal waren keine Mücken da und man braucht beim gemütlichen Radeln durch den Wald nicht die gefühlte Ewigkeit, die die Fahrt in meiner Erinnerung dauerte. Es braucht nicht mehr als 20 Minuten, um mit dem Fahrrad den Darß zu durchqueren.

Endlich baden in der Ostsee – es war mächtig kalt.

Der Weststrand hat nichts von seiner Wildheit verloren. Er scheint mir nur schmaler geworden zu sein. Vielleicht trügt die Erinnerung, vielleicht haben Wind und Wellen aber tatsächlich am Sandstreifen genagt. Sandburgen sind dort seit Jahren verboten, es gibt sie aber immer noch. Und im Gegensatz zur Zeit vor der Wende sind heute FKK-Gebiete deutlich markiert. Früher war die Freikörperkultur überall am Weststrand ganz selbstverständlich.

Die Motoradtour führt weiter nach Zingst. An der Seebrücke ist die Touristenhölle los, ich wende mich lieber auf die Seite zum Bodden. Dort treten sich nicht ganz so viele Besucher auf die Füße und um dem Trubel zu entkommen, buche ich eine Boddenfahrt mit einem Ausflugsschiff. Das ist fast leer, es geht mächtig Wind und man kann die Sonne genieße. Dabei fährt das Schiff bis zur Meiningbrücke, die die Halbinsel mit dem Festland verbindet und über die früher die Eisenbahn fuhr. Morgen werde ich sie Richtung Festland überqueren.

Am Abend überrascht mich mein Quartiersgeber noch mit einer Einladung in seine Bar – zum Wodka. Gratis! Das muss man mal erwähnen, denn das ist nirgends selbstverständlich. Nach zwei ordentlichen Portionen des leckeren Gesöffs beende ich den Tag mit Texterei für dieses Blog. Wustrow/csp

  • Kurz vor Prerow waren die ersten 1000 Kilometer dieser Reise komplett.
  • Hier mal ein direkter Hinweis zum Quartier in Wustrow, der Gaststätte Ben. Zeitungsschreiber sind den Gastgebern zwar suspekt, sie werden aber dennoch freundlich behandelt.